Trigon Themen 02|2020

Zukunft der Arbeit - Arbeit der Zukunft
Thomas Weichselbaumer im Gespräch mit Christian Bezdeka

Die Kinderräder von woom sind preisgekrönt, das Unternehmen sehr erfolgreich. Das starke Wachstum führte zu einer individuellen und pragmatischen Variante von „New Work“. Der Gründer und CEO über Sinn, Kultur, Verantwortung und die Lust, einen Elefanten zu reiten.

Trigon Themen: woom Bikes ist ein junges, erfolgreiches, stark wachsendes Unternehmen, kannst du die wichtigsten Schritte nennen?

Christian Bezdeka: Wir haben vor sieben Jahren buchstäblich in einer Garage gegründet. Am Anfang hat jeder alles gemacht, wir waren wie eine Familie, also ein Team, das um einen Tisch passt – und das auch gemeinsam isst. Seither sind wir ständig gewachsen und haben auch noch viel vor. In Österreich liegt unser Marktanteil bei Kinderrädern bei 40% und wir sind international tätig. Im letzten Jahr haben wir uns von 50 auf über 100 Mitarbeitende verdoppelt und wollen in fünf Jahren in 100 Ländern aktiv sein.

 

TT: Welche Rolle spielt das Thema „purpose“ oder „Sinn“ bei euch?

CB: Wir arbeiten alle am gleichen Sinn, nämlich Kinder für das Radfahren zu begeistern, ihnen Freude an Bewegung zu vermitteln, das Leuchten in ihren Augen zu sehen. Diese Kinder werden dann auch als Erwachsene gerne Rad fahren. Das ist sehr sinnstiftend, weil wir die Welt dadurch ein kleines Stückchen besser machen. Bei uns bewerben sich Leute, die sehr „fahrradaffin“ sind, aber auch solche, die eher „kinderaffin“ sind. Die Leute wollen einen Beitrag zu unserer Vision leisten. Die Vision ist im Team entstanden und lautet, kurz gesagt, weltweit die beliebteste Marke für Kinderfahrräder zu werden. Sie wird auch regelmäßig nachgeschärft.

 

TT: Wie würdest du eure Kultur beschreiben?

CB: Wir haben sehr flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege, agieren schnell und „schlagfertig“. Augenhöhe und Wertschätzung sind für uns eine Selbstverständlichkeit – auch von den Führungskräften. Die sitzen ja inmitten ihrer Teams und sind jederzeit ansprechbar. Wir kämen auch nicht auf die Idee, uns zu siezen. Wichtig ist uns auch eine gute Fehlerkultur, wir wollen innovativ sein und neue Wege gehen. Das ist nur möglich, wenn man gelegentlich auch in eine Sackgasse geht. Eigentlich kann man anhand der Fehler messen, wie innovativ man ist. Es gibt dann auch kein „fingerpointing“ und alle arbeiten gemeinsam daran, einen Fehler zu beheben.

Kundenorientierung ist auch extrem wichtig: Unsere Räder sind von Grund auf für Kinder entwickelt. Wir nehmen Kinder ernst, und das spüren sie. Nicht umsonst lautet unser interner Slogan: „Think like a child, act like a pro.“ Bei den Eltern haben wir das Prinzip „wow the customer“: Die sollen nach der Behebung eines Problems zufriedener sein als bevor sie es hatten.

 

TT: Bei „New Work“ spielt Selbstverantwortung eine große Rolle. Wie sieht das bei euch aus?

CB: Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gerne gestalten und hoch motiviert sind. Es gibt eine gemeinsame Vision und wir wären ja blöd, denen dann zu sagen, was sie tun sollen. Wachstum braucht proaktives Arbeiten. Zu jedem neuen Job machen wir eine Stellenbeschreibung. Die ist oft schon wieder veraltet, sobald der Toner ausgekühlt ist. Die Personen sehen weiße Flecken und nehmen sich ihrer an, spezialisieren sich und entwickeln sich weiter, so dass sie nach einem halben Jahr oft schon ganz etwas anderes machen als der ursprüngliche Job war. Alle gestalten das mit. Man muss natürlich schon eine gewisse Freude an der Veränderung mitbringen und Spaß dabei haben diesen Elefanten zu reiten.

 

TT: Das hat ja auch viel mit Potenzialentfaltung und persönlicher Entwicklung zu tun…

CB: Das Thema ist für uns nicht immer einfach. Die Leute wollen flache Hierarchien, gleichzeitig werden wir bei Bewerbungsgesprächen nach Aufstiegschancen gefragt. Wir unterstützen Weiterentwicklung sehr stark und bieten dazu viel an. Das heißt, weniger Aufstiegs-Chancen als vielmehr Entfaltungs-Chancen. Man hat mehr eine interessante Journey als eine Karriereleiter.

 

TT: Transparenz und Partizipation werden immer wieder als Merkmale der Arbeit der Zukunft genannt…

CB: Das halten wir für sehr wichtig. Mitten im Büro gibt es eine Monitorwand, wo wir ständig verschiedene aktuelle Daten und Zahlen durchlaufen lassen, z.B. Verkaufszahlen, Pläne, oder wie es in anderen Ländern läuft. Das kann jeder sehen und sollen alle wissen. Und bei uns ist jeder Teil des Ganzen, das Zusammengehörigkeitsgefühl ist sehr stark, wir nennen uns intern „woomster“.

 

TT: Habt ihr flexible Modelle für Arbeitszeit und Arbeitsort?

CB: Wir befinden uns gerade in einer Entwicklungsphase, in der die Teams sehr wichtig sind. Daher sitzen die Teams zusammen, direkte Kommunikation ist sehr wichtig. Unser Büro ist sehr flexibel konzipiert. Vermutlich wird in einer nächsten Phase die Zusammenarbeit zwischen den Teams wichtiger, dann ändern wir das. Die einzigen, die keinen fixen Platz haben, sind derzeit wir Geschäftsführer. Wir setzen uns immer zu einem anderen Team dazu.

 

TT: Wie bleibt ihr als Arbeitgeber attraktiv? Welche Ansprüche von Jobsuchenden erlebt ihr?

CB: Wir bemühen uns um gutes Onboarding, jede bekommt ein Welcome-Package mit Vision und Werten und ein paar Goodies sowie einen „Buddy“, also Mentor, zur Seite gestellt. Es gibt auch eine Mitgliedschaft im Fitness-Studio nebenan dazu, wobei das keine besonders große Rolle zu spielen scheint. Jeden Freitag gibt es online eine kurze Umfrage zur Zufriedenheit, als Stimmungsbarometer „wie sind wir denn so drauf“. Viele Bewerberinnen und Bewerber kommen, weil sie von unseren Mitarbeitenden direkt empfohlen werden. Daher passen die meist auch super zu uns. Der Altersdurchschnitt bei uns ist 31. Das sind Menschen, die ticken anders – zum Glück. Die sind digital affin, da funktioniert vieles ganz mühelos, denen braucht man nichts zu erklären. Work-Life-Balance spielt eine große Rolle. Am wichtigsten ist ihnen aber: Etwas tun, das Sinn macht und wo sie interessante Erfahrungen machen können. Beides bieten wir ihnen.

 

TT: Wie ist es euch bisher in der Corona-Krise gegangen und was habt ihr aus ihr gelernt?

Wir hatten alle Hände voll zu tun, haben Szenarien entwickelt und versucht, positiv zu beeinflussen. Unterm Strich wird woom aber profitieren, weil Trends wie Nachhaltigkeit und Ökologie beschleunigt werden. Mit den Händlern gab es einen engen Austausch, wir haben Best Practices für kreative Lösungen zwischen ihnen geteilt, z.B. Drive-In Lösungen für die Fahrradübergabe. Wir haben angeboten, Bestellungen zu stornieren, das wurde gar nicht in Anspruch genommen. Die Loyalität war sehr groß, auch was z.B. Zahlungen anging.

Intern wurde deutlich, dass im Homeoffice und bei virtuellen Meetings sehr viel möglich ist. Da werden viele neue Wege dauerhaft bleiben. Gleichzeitig hat sich herausgestellt, dass viel sehr gut funktioniert und es sich gelohnt hat, dass wir schon bisher stark digitalisiert und mobil waren. Wir werden also auch sehr viel nicht ändern.

 

TT: Danke für das Gespräch und die spannenden Einblicke in eure Art, zu arbeiten.