Glasls Glosse
Das Ineinanderwirken verschiedener Krisen – Klima, Ökologie, Krieg, Stagflation usw. – in der gegenwärtigen Poly-Krise stellt höchste Anforderungen an alle Führungspersonen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Erschwerend ist dabei, dass durch die Krisendynamik unser Blickfeld und Bewusstsein drastisch einengt wird und unser Zeithorizont schrumpft bis zur Haltung „Nach mir die Sintflut!“.
Es liegt deshalb an den Persönlichkeiten in Führungsfunktionen, ob sie durch die Herausforderungen überfordert werden und beim Bemühen um Lösungen zu Simplifizierungen greifen und in wilden Aktionismus verfallen, oder ob sie wirksame Problemlösungen finden. Genau darum empfiehlt sich, in die Entwicklung der Führungspersönlichkeit zu investieren, die in mehreren Bereichen ansetzen muss: beim Bewusstsein und Selbstbewusstsein und bei einer Haltung der emotionalen Stabilität und Offenheit, die den Menschen zugewandt ist.
Durch Bewusstseinsentwicklung kann der Wahrnehmungshorizont ausgeweitet werden, damit vernetzte Problemfaktoren erfasst sowie Zusammenhänge und Hintergründe erkannt werden. Mit Persönlichkeitsentwicklung kann der Zeithorizont zum Weitblick werden, so dass operative Maßnahmen in einer mittel- und langfristigen Perspektive getroffen werden und nicht bloß aktionistische Alibihandlungen sind. Dann ist es besser auszuhalten, dass manche Wirkungen von Entscheidungen erst verzögert sichtbar werden.
Eine Haltung der Offenheit und Empathie für die Menschen, mit den zusammengearbeitet wird, ist der Kern der Konfliktfähigkeit, die in Zeiten der Krise mehr denn je gefordert ist. Dabei muss aber eines völlig klar sein: Niemand kann eine andere Persönlichkeit entwickeln! Entwickeln kann ich nur mich selbst! Dafür muss ich meine eigenen Potenziale in mir ehrlich erkannt haben und muss entschlossen sein, sie zur Entfaltung zu bringen, um damit meine Lebensziele zu verwirklichen. Und ich muss mir immer dessen bewusst sein, dass ich dabei meinen eigenen Grenzen und Widerständen begegnen werde. Doch wenn ich Geduld mit mir habe, kann ich gerade an den Hindernissen weitere Potenziale entwickeln.
Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen von Persönlichkeitsentwicklungs-Maßnahmen ist, dass sie nicht aufgrund einer „passiven Laufbahnplanung“ durchgeführt werden, d.h. dass die Organisation ihren Führungskräften Entwicklungsziele vorgibt. Vielmehr reflektieren die Menschen im Sinne einer „aktiven Laufbahnplanung“ ihre Lebens- und Berufssituation selbst und bestimmen ihre eigenen Entwicklungsziele, weil dies dem tieferen Sinn ihres Lebens entspricht. Denn, wie gesagt: Entwickeln kann jeder Mensch nur sich selbst.