Trigon Themen 03|2023

Resilienzentwicklung in Organisationen

Resilienzentwicklung in Organisationen

Projektbeispiel - Agiler Wandel einer Messegesellschaft

Nach einem intensiven Nahtstellen-Prozess zur Überwindung des Silo-Denkens erkannte ein überregionaler EventAnbieter im Rahmen eines Zukunftsentwicklungsprozesses, dass die Zukunftsfähigkeit nur dann  gesichert werden kann, wenn sich die Ausrichtung sowohl an den Kund:innen als auch an den Mitarbeitenden orientiert. Dabei zeigte es sich, dass das Silodenken und die hemmenden Absicherungsund  Freigabeschleifen am besten durch eine agile und selbstorganisierte Organisationsform zwischen drei zentralen Bereichen überwunden werden können .

Es ging um 3 zentrale Herausforderungen:

  • Die Überwindung des Denkens in Abteilungen („Silos“) und in klassischen HierarchieEbenen hin zu abteilungsübergreifendem,
    selbstverantwortlichem Handeln.
  • Das Erleben von Wirksamkeit und die Gestaltung eines proaktiven Kulturwandels.
  • Ein gelingendes Zusammenspiel zwischen den agilen Markt-Teams und den Bereichen, die (noch) nicht agil organisiert sind.

Eine entscheidende Erkenntnis war, dass die klassische Führungsrolle (fachliche Führung, Teamführung und MA-Entwicklung) auf mehrere Personen aufgeteilt werden muss, damit eine konsequente  Selbstorganisation in den neuen, abteilungsübergreifenden Markt-Teams und eine schnelle Reaktionszeit auf Kund:innenwünsche möglich werden. So wurde das neue agile System in den Markt-Teams mit  folgenden Rollen spezifisch zur Situation im Eventbereich entwickelt: Product-Owner (fachliche Führung), Agile Master (Teamführung), Project-Manager (Themenverantwortliche), People Manager (MA-Entwicklung).

Die Transformation der Markt­-Teams

In einer Pilotphase über 6 Monate mit zwei Markt-Teams wurden erste Erfahrungen gesammelt und ausgewertet. Diese Pilotphase wurde intensiv begleitet. Sie hat eine hohe Identifikation mit der Idee ermöglicht und so wesentlich zum Erfolg der Transformation beigetragen. Die PilotTeams und das Umfeld konnten direkt im Tun lernen und bei den Auswertungsprozessen ihre Ideen einbringen. Auf Basis der Erkenntnisse wurden dann alle bisherigen Projekt-Teams in die agilen MarktTeams überführt. In intensiven Trainings für die Markt-Teams und die agilen Führungsrollen wurde das Zusammenspiel der neuen Rollen in den Markt-Teams anhand von konkreten Praxisbeispielen geübt und erfahren. Dabei wurden agile Konzepte und Methoden (Kanban-Board, agile Meeting-Strukturen, …) entwickelt und situativ angepasst, was eine hohe Identifikation mit den Vorgehensweisen ermöglichte. Durch einen organisierten internen Peer-toPeer-Austausch und das Angebot von individuellen Coachings wurden Dialog-Räume geschaffen, um über Erfahrungen, Sinn-Fragen, Hoffnungen und Ängste ins Gespräch zu kommen. Die neue Verteilung der Verantwortlichkeiten hat den Project-Managern in den Markt-Teams einen viel größeren Entscheidungsspielraum und einen direkteren Zugang zu den Kund:innen gegeben. Dies führt zu erheblich schnelleren Erkenntnissen, was die Kunden brauchen und zu schnelleren Entscheidungsprozessen – und letztendlich zum Erleben einer größeren Selbstwirksamkeit im Alltags-Handeln. Die Einführung der neuen Rolle des People-Managers war ein radikaler Musterbruch in der Organisation, da jetzt die Markt-Teams  ohne jede disziplinarische Führung agieren konnten. Das hat den Markt-Teams erst den Freiraum verschafft, auf Augenhöhe zu arbeiten und sich von den bisherigen Abläufen (z.B. lange Freigabeprozesse) zu lösen. Dadurch wurde das Selbstbewusstsein gestärkt und der Handlungsspielraum erweitert. Die Bereichsleiter:innen und die bisherigen Projekt-Leiter:innen mussten die disziplinarische Mitarbeiterführung  loslassen und ihr Führungsverständnis radikal verändern – und sie erlebten einen viel größeren Freiraum zur strategisch-inhaltlichen Entwicklung ihrer Geschäftsfelder.


Die Transformation in der gesamten Organisation

In einem Großgruppen-Workshop nach dem Motto „Entdecken – Erleben – Verändern“ konnten alle 150 Mitarbeitenden die bisherigen „heimlichen“, ungeschriebenen Spielregeln szenisch in einer improvisierten Fußball-Szene erleben und im Sinne des neuen Mindsets neue Handlungs-Ansätze entwickeln. Sehr wirkungsvoll für die Kulturtransformation und die Stärkung der organisationalen Resilienz war die Ausbildung von agilen Moderator:innen, die abteilungsübergreifend angefragt werden können. Dadurch wurden Perspektivwechsel ermöglicht, die das gegenseitige Verständnis zwischen den Abteilungen gestärkt haben.

Wirkungen und Herausforderungen

In den Markt-Teams entstand am Anfang der Eindruck, dass viel mehr geredet wird als vorher.  Nach und nach erkannten die Markt-Teams, dass sie durch die agilen Meeting- und EntscheidungsStrukturen zwar viel im Austausch sind, gleichzeitig aber im Arbeitsalltag erheblich schnellere Entscheidungen im Sinne der Kund:innen treffen. Die Möglichkeit zur Mitgestaltung, zum Mit-Entscheiden und auch zum Eintreten  für eigene Grenzen haben die Motivation der Beteiligten enorm gesteigert bis hin zu der Aussage: „Ich wäre heute nicht mehr hier, wenn wir diesen Prozess nicht gemacht hätten.“

Diese Motivation hat sich auf die  anderen Markt-Teams übertragen. Die Perspektive, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, hat viele sehr motiviert, bei Einzelnen auch Angst oder sogar Abwehr ausgelöst. Die größte Herausforderung für die Beteiligten war es, das neue Mindset zu verinnerlichen und im Alltag den Mut zu entwickeln danach zu handeln. Dabei war die Arbeit mit dem Spannungsfeld zwischen den bisherigen ungeschriebenen Spielregeln (z.B. „Sichere dich ab“ und „Du musst alles wissen“) und dem neuen Mindset im konkreten Alltags-Handeln entscheidend. Der Prozess ist noch nicht beendet, es werden neue Herausforderungen auftauchen. Klar ist jedoch, dass sich die Energie und die Motivation in der gesamten Organisation grundlegend verändert haben.