Resiliente Reaktion in der Krise
Resiliente Systeme sind in der Lage, externe Krisen zu meistern – sich erholen, lernen, Themen neu denken und damit den Blick auf neue Möglichkeiten zu öffnen. Organisationale Resilienz verlagert den Fokus von Wachstum und Effizienz auf notwendige Regeneration, Flexibilisierung und Belastbarkeit.
Die Corona Krise kam nicht ohne Vorzeichen, trifft uns jedoch mit unerwarteter Härte.
Wir sind mit Einschränkungen konfrontiert, die wir kaum denken konnten und wissen nicht, was uns noch erwarten wird. Doch sind Krisen Teil unserer Entwicklung. Die Resilienzforschung beschäftigt sich seit Jahrzehnten damit, was bei der Krisenbewältigung hilft und wie man sogar gestärkt aus Krisen hervorgehen kann – ganz persönlich und in Organisationen:
Vorsorge und Achtsamkeit: Jene, die in der Lage sind, erste Signale früh zu erkennen und entsprechend zu handeln, reduzieren die Heftigkeit der Krise.
Umgang in der Krise: Die Art und Weise WIE wir auf eine Krise reagieren, bestimmt stark, wie wir aus der Krise hervorgehen. Umso rascher wir in der Lage sind, uns aus der ersten Erstarrung zu lösen und stabilisierend zu wirken, desto eher erlangen wir Handlungsfähigkeit.
Chancen erkennen und Nutzen: Wer auch in der Krise vorhandene Ressourcen flexibel und chancenorientiert nutzt, geht eher erfolgreich in die Zukunft. Jene, die in der Lage sind, radikal nicht mehr dienliches loszulassen, haben mehr freie Kräfte für neue Entwicklungen.
Je früher wir akzeptieren, dass nach der Krise vieles nicht mehr so sein wird wie davor, desto lösungsorientierter und kreativer wird unser Handeln.
Ein Blick auf die Grafik verdeutlicht, welches Potential im resilienten Agieren liegt:
Abb. 1: Resiliente Reaktion in der Krise © Trigon
Blicken wir auf die aktuelle Situation, so waren die letzten Wochen davon geprägt, eine erste Stabilisierung und Beruhigung zu erreichen. Durch flexibles, übergreifendes Agieren und das Umschalten in den Krisenmodus – vom „Nulldefizit“ zu „Koste es was es wolle!“ um Leben zu schützen.
Was jedoch auch deutlich wurde ist, dass es uns nicht gelungen ist, mit ausreichender Achtsamkeit Vorsorge zu treffen – von der Beschaffung von Schutzmasken bis zur Entkoppelung von globalen Abhängigkeiten.
Nun sind Menschen und Organisationen gefordert, mit den Folgen umzugehen. Es gibt deutliche Signale, Engpässe werden ausgeglichen und Chancen wahrgenommen: So erzeugt der
Whiskeyhersteller jetzt Desinfektionsmittel, die Autoindustrie produziert Beatmungsgeräte, arbeitslose Menschen werden zu Erntehelfern – Schritte, die dabei helfen, dass die Krise kein neues Eskalationsniveau erreicht. Die auf den zweiten Blick auch Mindsets nachhaltig verändern werden und ganz neue Entwicklungen ermöglichen.
Was aktuell besonders auffällt, sind zwei unterschiedliche Tempi in der Krisenbewältigung:
Menschen, die Leben retten, indem sie operative Höchstleistungen erbringen: Arbeiten bis zur Leistungsgrenze – kaum Zeit für sich und die eigenen Familien, permanent der Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Resilienz bedeutet für sie, trotzdem kurze Phasen der Erholung zu finden und für ein bestmögliches Maß an Schutz zu sorgen.
Menschen, die Leben retten, indem sie sich isolieren: Stillstand – Was tun? Auch hier ist Resilienz in besonderer Art gefragt – Zeit für sich, die Familie, aber auch Freiraum für Neues. Jetzt Gitarre spielen lernen? Oder, wie ein Industrieunternehmen, das über Videokonferenz-Workshops an der Reorganisation arbeitet und sich neu aufstellt – also in Zeiten des vermeintlichen Stillstands sich mit der Zukunft beschäftigt?
Die Suche nach Antworten in der Krise: Orientierungsrahmen und Fragen können helfen
ICH Perspektive:
Wie geht es mir persönlich? Was hilft mir, die aktuelle Situation zu akzeptieren? Was gibt mir Sinn und Balance? Wie kann ich meine Emotionen so steuern, dass ich das stabilisiere was möglich ist und mich flexibel für Neues öffne? Inwieweit gelingt es mir, mich nicht im „Schwarz-Weiß-Denken“ zu verlieren, sondern mit einer „sowohl-als-auch Perspektive“ zu Lösungen zu kommen?
Abb. 2: Vier Perspektiven mit vier Fragen zu mehr Resilienz © Trigon
TEAM Perspektive: Wesentlicher, zum Teil noch immer unterschätzter, Resilienzmotor sind divers zusammengesetzte Teams, die mit guter Dialogqualität zu raschen, tragfähigen Entscheidungen kommen. Gerade in Zeiten der Krise kann diese Kraft neu kultiviert und genutzt werden.
Perspektive der Organisation: In der Organisation selbst geht es darum, dezentrale Handlungsfähigkeit herzustellen und Stabilität und Reserven an systemkritischen Stellen zu entwickeln – das bedeutet auch loslassen und Abbau von Blockaden. Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern, zu lernen und zu experimentieren ermöglicht den Blick in die Zukunft.
Perspektive von Umfeld und Markt: Intelligentes Vernetzen und Entwickeln von Szenarien hilft beim Blick aufs Umfeld. Hilfreich ist dabei, auch mit Blick auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen schwache Signale früh wahrzunehmen, um schnell Vorsorge zu treffen, oder Chancen wahrzunehmen.
Unser Blick in die Zukunft:
Nach vorne schauen fällt uns nicht leicht in diesen Tagen. Von Mittelfriststrategien haben wir uns schon vor Corona zunehmend verabschiedet und gelernt, mit strategischen Stoßrichtungen und agiler Planung zu arbeiten. Doch diese Krise lehrt uns noch eine ganz andere Zeitlichkeit – „shut down“ innerhalb einer Woche. Krisenmodus eben, der unsere Resilienzkraft fordert. Auch hier können zwei Perspektiven Energie geben: Das „Was ist JETZT dran, also heute und in dieser Woche“, liegt auf der Hand. Die andere ist, ganz im Sinne von Horx – Gegenwartsbewältigung durch Zukunftssprung: „Wenn die akute Krise bewältigt ist – wann immer das ist, was hat sich bewährt, was haben wir gelernt und neu entwickelt. Vieles und Nachhaltiges, da sind wir ganz sicher.
Quellen:
Matthias Horx 48, Die Welt nach Corona, www.horx.com und www.zukunftsinstitut.de.
Managing the Unexpected: Resilient Performance in an Age of Uncertainty
Von Karl E. Weick (Autor), Kathleen M. Sutcliffe (Autor) 2015