Mit Befragungen evidenzbasiert entwickeln

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Mit Befragungen evidenzbasiert entwickeln

Bei Mitarbeiter- und Kundenbefragungen besteht durchaus die Gefahr, dass sie auf Datenfriedhöfen landen und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Richtig gemacht, können sie hingegen wichtige und evidenzbasierte Impulse für die Entwicklung von Unternehmen und Menschen impulsieren.

Gut eingebettete Befragungen unterstützen das Lernen in der Organisation, fördern Selbstverantwortung und schaffen evidenzbasierte Grundlagen für Managemententscheidungen. Besonders in Flächenorganisationen mit vielen Filialen kann dieses Instrument hilfreich dabei sein, den einzelnen Outlets Impulse für ihre Weiterentwicklung zu geben. Wirkungsvoll und nachhaltig werden Befragungen erst, wenn diese gut mit dem bestehenden Managementsystem und der Linienorganisation verbunden sind.

Wenn man Befragungen als Intervention in ein soziales System versteht, dann ist das Instrument von Beginn an so zu konzipieren, dass es diesem Anspruch auch gerecht werden kann. Das bedeutet, es braucht…

  • ein Befragungsdesign, das zum Unternehmen passt,
  • Fragen, die die befragten Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter:innen etc.) emotional und sprachlich ansprechen,
  • keine Angst im Management vor kritischen Ergebnissen und
  • einen professionell gestalteten Prozess im Umgang mit den Ergebnissen.

Lernende Organisation fördern

Kunden- und Mitarbeiterbefragungen führen dann zu Lernprozessen, wenn die Ergebnisse für die Betroffenen relevant und konkret sind. Das ist dann der Fall, wenn die Ergebnisse unmittelbar ein Feedback zum eigenen Verhalten bzw. zur Situation im engeren Umfeld geben. Für uns bedeutet das, dass wir die Ergebnisse so weit als möglich auf kleine Einheiten herunterbrechen. So erhält bei unseren Befragungen in der Regel jedes Team, das eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitenden überschreitet, ein eigenständiges Ergebnis. Wenn es dann noch Benchmarks gibt, in welchem Kontext die eigenen Werte zu interpretieren sind – d. h. wie die Vergleichswerte in der eigenen Organisation aussehen –, dann ist das oft ein Anstoß zu sehr konkreten themenbezogenen Lern- und Veränderungsprozessen.

Flächenorganisationen entwickeln

Besonders wirkungsvoll erweisen sich Befragungen in größeren dezentralen Organisationen mit vielen Filialen. Sie können schnell und flächendeckend auch in großen und geografisch distanzierten Organisationen durchgeführt werden. Jedes Team und jede Filiale erhält das eigene Ergebnis, verglichen mit den internen Benchmarkdaten. Durch das Rückspielen dieser Ergebnisse und eine gut abgesicherte Evidenz – d. h. eine objektive Vergleichbarkeit mit anderen Filialen und den Gesamtergebnissen – werden in jeder kleinen Einheit Impulse ausgelöst. Ergebnisse sind beispielsweise: „Wir informieren nicht ausreichend.“ – „Wir gestalten die bereichsübergreifende Zusammenarbeit besser als andere.“ – „Im Bereich von A und B zeigen sich Konflikte, die wir bearbeiten sollten.“

Diese Impulse steuern wir mit Workshops und Besprechungen zu den Ergebnissen – in Selbstorganisation. Gelingt dieser Ansatz, so ist dies eine äußerst kostengünstige und wirkungsvolle Entwicklungsmaßnahme für Organisationen in der Fläche.

Selbstorganisation unterstützen

Ein großes Anliegen ist eine selbstorganisierte Bearbeitung der Ergebnisse durch die Teams. Als Selbstorganisation bezeichnen wir Prozesse und Strukturen, bei denen Mitglieder des Systems – also beispielsweise eines Teams – ihre Aufgaben und Themen alleine lösen. Das geschieht, wenn die Aufgabe ohne erkennbare äußere Einflüsse von Vorgesetzten oder Beratern gut bewältigt werden kann. Die Voraussetzung für selbstorganisiertes Arbeiten mit Befragungsergebnissen ist, dass die eingesetzten Instrumente einfach gehalten werden und die Ergebnisdarstellung klar und unmissverständlich erfolgt.

Steuerungssysteme

Das Management kann in seiner Entscheidungsfindung mit systematisch erhobenen Daten und gut aufbereiteten Ergebnissen unterstützt werden. Das Einbinden von Befragungsergebnissen in die Management- und Steuerungssysteme ist heute Stand der Technik. So werden Ergebnisse von Kunden- und Mitarbeiterbefragungen mit Kennzahlensystemen verlinkt und in Zielvereinbarungssysteme integriert. Entscheidend ist, dass Befragungen nicht als singuläre Projekte verstanden werden, sondern als Teil der Linienorganisation mit ihren bestehenden Systemen.

Exkurs: Evidenzbasiertes Arbeiten

Wie oft erleben wir, dass wichtige Entscheidungen auf Basis von Vermutungen, einzelnen Geschichten, Vorurteilen oder subjektiven Theorien getroffen werden! Wenn Manager:innen davon überzeugt sind, dass ihre persönlichen Erfahrungen oder ihre subjektive Theorie die wichtigste Grundlage für Entscheidungen bildet – eine Stichprobe aus einer Person –, wird es problematisch. Wenn Berater:innen eher von ihrer Philosophie missionarisch angeleitet sind als auf die Situation in der jeweiligen Organisation zu sehen, ist das mitunter sogar gefährlich.

Evidenzbasiertes Management (EbM) kommt aus dem Englischen („evidence“ = Beweis, Anzeichen, Beleg). Es ist also die beweisgestützte Unternehmensführung, wonach Managemententscheidungen durch expliziten Gebrauch bestmöglicher wissenschaftlicher Methoden und Befunde getroffen werden. In der Medizin ist evidenzbasiertes Arbeiten die Grundlage und bedeutet die Integration von individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung.

Evidenzbasiertes Arbeiten bedeutet, zumindest folgende Prinzipien zu beachten:

  1. Die aktuelle wissenschaftliche Literatur im entsprechenden Feld im Blick zu haben und als eine Grundlage für Entscheidungen heranzuziehen.
  2. Das eigene Handeln offen und kritisch zu evaluieren und die Erkenntnisse in Lernfortschritte umzusetzen.
  3. Unterschiedliche Perspektiven und Meinungen zu Themen einzuholen, bevor Entscheidungen getroffen werden.

Um insbesondere das dritte Prinzip evidenzbasierten Managements zu erfüllen, sind Mitarbeiter- und Kundenbefragungen gut geeignete Instrumente. Durch MABs kann ein/e Manager:in auf systematisch erhobene Daten über die Erfahrungen, Einstellungen und Meinungen der Mitarbeiter:innen zu Themen der Unternehmensentwicklung zurückgreifen. Professionell durchgeführte Befragungen erlauben dabei evidenzbasiertes Arbeiten und Steuerung bis in jede einzelne Filiale oder Abteilung.