Innovative Stadtverwaltung
Die öffentliche Verwaltung ist mehr denn je gefordert, sich mit Innovation auseinanderzuset-zen, um die Leistungen und Services auf zukünftige Anforderungen auszurichten. Dafür braucht es kreative Räume und Systematiken.
Bei Organisationen wie Start-ups ist laufendes Innovieren als Kernprozess angelegt. Risikofreudigkeit, Experimentierfreudigkeit, Mut zum Scheitern ist fest in ihrer DNA verwurzelt. Es gibt aber auch viele andere Organisationen, die in ihrem Kerngeschäft Produkte und Dienstleistungen anbieten, die Stabilität brauchen und nicht laufend verändert werden können – die aber gleichzeitig gefordert sind, Bisheriges radikal zu hinterfragen, um zukunftsfähig zu bleiben.
Ein besonderes Beispiel einer solchen Organisation sind Stadtverwaltungen. Stadtverwaltungen verwenden Millionen an Steuergeldern in Bereichen wie Gesundheit, Mobilität, Versorgung, Bildung etc. Gerade in den letzten Jahrzehnten wurde hier viel Energie in Transparenz von Geldflüssen, professionelle und abgesicherte Entscheidungsstrukturen sowie nachvollziehbare Vergabeverfahren investiert, was wichtig und gut ist. Dies ermöglicht Qualitätssicherung sowie ein nachvollziehbares Abarbeiten der Kernaufgaben. Gleichzeitig ergibt sich dadurch aber auch ein sehr enges Korsett an Regelwerken für das tägliche Agieren.
Stadtverwaltungen haben jedoch durch ihre Interdisziplinarität sehr großes Potenzial für radikale nachhaltige Innovationen, die technische und soziale Innovation verbinden. Rasantes Wachstum und aktuelle gesellschaftliche Umbrüche verstärken den Bedarf, völlig neue Zukunftslösungen und Innovationen zu entwickeln. Dies erfordert allerdings ein Agieren konträr zu jenem, welches in den letzten Jahrzehnten kultiviert wurde.
Innovations-Managementsysteme geben Risikoentscheidungen Struktur
Oft hören wir die Frage: Ja dürfen wir mit Steuergeld überhaupt experimentieren und scheitern? Wir fragen uns eher, wie fahrlässig es für eine Stadtverwaltung wäre, nicht zu experimentieren und zu innovieren und welche Kosten dies zur Folge hätte. Um hier radikale Innovationen entstehen zu lassen, ist die Unterstützung von Instrumenten, Strukturen und Systematiken erforderlich, die Freiräume bieten und Scheitern ermöglichen. Die Frage ist, welchen Rahmen braucht eine nachhaltige Innovationskultur, um mit dem Steuergeld verantwortungsvoll umzugehen? Wo braucht es bewusst Freiräume und das Überwinden von bestehenden Denkmustern und Verhaltensweisen, um für zukünftige Generationen zu innovieren?
Innovative Stadtverwaltung als Ziel in Wien
Im Rahmen der Innovationsstrategie, die Ende 2015 beschlossen wurde, hat sich Wien bis 2020 das Ziel gesetzt, eine innovative Stadtverwaltung zu haben. Ziele dabei sind die Entwicklung einer Innovationskultur und die Entwicklung von Systematiken, die dies unterstützen. Die Umsetzung ist als offener Prozess angelegt, bei dem mit neuen
Formaten experimentiert wird. Dies schafft die Möglichkeit, rasch ins Tun zu kommen und gleich eine neue Herangehensweise und Haltung zu üben. Jene Elemente, die sich als erfolgreich erweisen, werden systematisiert, woraus ein Innovations-Managementsystem entstehen kann. Hier drei erste Beispiele:
Sichtbarkeit von bereits umgesetzten Innovationsprojekten
Die Wiener Stadtverwaltung hat in den letzten Jahren in vielen Bereichen internationale Preise für besonders innovative Projekte erhalten. Gleichzeitig wurde bereits während der Strategieentwicklung klar, dass die Stadtverwaltung als Ganzes weder nach außen noch nach innen als besonders innovativ wahrgenommen wird. Daher lag es in einem
ersten Schritt nahe, sichtbar zu machen, welche Innovationsprojekte in den unterschiedlichen Fachbereichen bereits umgesetzt wurden und was die Organisation im Hinblick auf eine Systematisierung daraus lernen kann. Es wurde ein Wettbewerb Das Goldene Staffelholz für Innovation ausgeschrieben, die Projekte wurden von einer Jury bewertet. Aus über 160 Einreichungen von unterschiedlichen Disziplinen und Fachbereichen wurden elf Projekte ausgezeichnet, die Preise wurden von Bürgermeister und Magistratsdirektor übergeben.
Dabei gab es einen Sonderpreis für Gescheiterte Projekte, aus denen am meisten gelernt wurde. Gerade dieser Preis rüttelte das Kulturverständnis der Führungskräfte und MitarbeiterInnen stark auf und wurde als klares Zeichen für eine neue, innovative Haltung der obersten Führung interpretiert. Im Rahmen eines Lerndialogs wurde der Erfahrungsaustausch gefördert, der auf große Resonanz stieß und einige interessante Erkenntnisse brachte. Dies soll nun ein sich wiederholendes, fixes Element sein.
Innovationsfördernde öffentliche Beschaffung
Die öffentliche Auftragsvergabe wird oft als innovationshemmend wahrgenommen, da das Vergabegesetz als Einschränkung erlebt wird. Fasst man den Blick auf Beschaffung weiter, so können vor dem formalen Vergabeprozess innovative Lösungsansätze in unterschiedlichen Themenfeldern ausprobiert und entwickelt werden. Dafür braucht es in den Fachabteilungen die Möglichkeit und die Fähigkeit, möglichst früh Fragestellungen zu formulieren, um sich für völlig neue Lösungsansätze zu öffnen. Diese Lösungsansätze können durch Kooperation mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen, anderen Fachbereichen in der Stadtverwaltung oder durch Kooperation mit der Bevölkerung entwickelt werden.
Aktuell wird in Workshops begonnen, Bewusstsein für diese Herangehensweise zu schaffen. In einem weiteren Schritt soll in Co-Creation-Labs die konkrete Umsetzung geübt werden. Um dies als Kulturelement im gesamten Magistrat einzuführen und die wirklich großen Herausforderungen kooperativ zu lösen, braucht es wiederum systematische Unterstützung.
Neue Formate, die Raum geben
Innovationskultur braucht auch neue Formate und Räume, um eine Durchlässigkeit in der sehr hierarchisch geprägten Organisationsstruktur zu bekommen. Dabei wurden zwei Formate ausprobiert, die eine interessante Dynamik brachten und ein rasches, pragmatisches Tun ermöglichten. Diese waren:
Willensbildungsworkshops
Diese Eintagesformate bringen eine kleine Gruppe von ausgewählten, open-minded Führungskräften und ExpertInnen quer durch die Fachbereiche zusammen, um sich nach einem Kurzimpuls intensiv mit einem Innovationsthema auseinanderzusetzen und danach zu überlegen, welche konkreten Maßnahmen in der Stadtverwaltung gesetzt werden könnten, um die Organisation gesamt aufzurütteln und zur Initiative zu bewegen. Während der letzten 1,5 Stunden werden mit der Magistratsdirektion die Erkenntnisse diskutiert und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung vereinbart.
Klappsesselwerkstatt
Dieses sehr niederschwellige Format ermöglicht den Erfahrungsaustausch über Innovationsprojekte, indem sich die Leute in Arbeitsstätten (z. B. in einer Industriehalle) mit ihrem selbst mitgebrachten Klappsessel treffen und dort von ihren Projekten erzählen. Dabei treffen sich ExpertInnen, Führungskräfte und MitarbeiterInnen.
Klemens Himpele, der Verantwortliche für den Umsetzungsprozess, hat sich für 2017 folgendes Ziel gesetzt: „Es wird darum gehen, ein Innovations-Managementsystem aus den bisherigen Erfahrungen zu entwickeln und so zu einer dauerhaften Dynamik und Kulturveränderung zu kommen. Wir müssen in der Organisation jene Kräfte bündeln und stärken, die für Innovationskultur stehen.“