Eine agile Unternehmer- und Unternehmenskooperation
Sechs KMUs mit rund 600 MitarbeiterInnen entscheiden sich für eine überbetriebliche Zusammenarbeit, die vom Start weg außergewöhnlich erfolgreich agiert. Vor kurzem wurden sie dafür mit dem Preis des Landes Kärnten für Innovationskultur ausgezeichnet.
Vor zwei Jahren startete der Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds (KWF) ein Entwicklungsprogramm für innovative Unternehmen. Mit dem Programm sollten die Teilnehmer für den Markt Rein-/Sauberraum in den Branchen Pharma, Lebensmittel, Halbleiter, Krankenhäuser etc. fit(ter) gemacht werden. Nach Abschluss kam es zu einem schicksalshaften Kooperationstreffen einiger der teilnehmenden Unternehmen, in dessen Folge im Mai 2016 die Competence Group 4 Clean Production entstand. Sie ist eine extrem erfolgreiche und agile Zusammenarbeitsform von sechs Unternehmern. Im Fokus der CG4CP stehen nicht nur die Fertigung von Produkten und Anlagen für industrielle Kunden mit Reinraum-Anforderungen, sondern auch die damit verbundenen Planungs- und Wartungsarbeiten. Es geht um innovative Full Serviceprojekte in einem sehr kompetitiven Markt.
Warum die Gruppe so erfolgreich ist, zeigen die nachfolgend angeführten Erfolgsfaktoren. Agile Kriterien wie Vertrauen, Schnelligkeit, Transparenz, Dynamik, antizipatives Agieren, Selbstorganisation, Vernetzung sind bei dieser Gruppe nicht nur leere Worthülsen. Es gibt aber auch andere – nicht agile – Kernwerte…
Die Erfolgsprinzipien der CG4CP
Das agile Handeln der Gruppe fußt seit Anbeginn auf zwölf prägenden Leitwerten:
(1) Denken in langfristigen Dimensionen. Eine der zentralen Aussagen beim ersten Gruppenmeeting lautete: „Partnerschaft bedeutet, für viele Jahre einen gemeinsamen Weg zu gehen…“ (A. Krobath, Fa. PMS). Dieser Satz, der von allen Partnern nach wie vor geteilt wird, steht im gemeinsamen Entwicklungspapier an vorderster Stelle. Auch wenn auf schnelle Erfolge abgezielt wird, so denken alle Partner parallel immer in Langfristdimensionen.
(2) Zug zum schnellen Erfolg. Von Beginn an kennzeichnete die Gruppe ein enormer Zug zum Tor. Anstelle endloser Diskussionen werden rasche, pragmatische Umsetzungsschritte gesucht. So entstand auf Initiative eines Partners binnen kürzester Zeit ein Gruppenlogo. Dieses wurde rasch von allen am Markt eingesetzt – und zwar immer dann, wenn man zeigen muss, dass man Teil einer größeren Gruppe, eines größeren Ganzen ist. In der Akquise von Großkunden kann dies spielentscheidend sein. Kurz danach ging bereits die gemeinsame Homepage online.
(3) Mut zu großen, gemeinsamen Projekten (Think Big). Sehr rasch wurden gemeinsam große Kundenprojekte angeboten, wie zum Beispiel der innovative Servicepark Kundl für die Firma Sandoz, der in der Zwischenzeit bereits fertiggestellt wurde. Dieser Kraftakt war nur durch einen wechselseitigen Vertrauensvorschuss und ein ehrliches Wertschätzen der Kompetenzen der Partner möglich. Weitere Serviceparks sind geplant.
(4) Bereitschaft, über den eigenen Schatten zu springen. In jeder Beziehung kann es zu kleineren und größeren Krisen und Konflikten kommen. In einem begleiteten Gespräch zwischen zwei Gruppenmitgliedern gelang es, in kürzester Zeit einige Differenzen aus der gemeinsamen Vergangenheit auszuräumen. Wenige Tage später legten die Partner ein Projektangebot, das für beide das höchstdatierte und komplexeste der Firmengeschichte war. Ergebnis: Sie bekamen einen Auftrag in Höhe von rund 40 Millionen Euro.
(5) Bereitschaft, auf externe und interne Unterstützungen zuzugreifen. Als Firmenchefs stehen alle Partner ständig vor hohen Herausforderungen in der Weiterentwicklung ihrer Unternehmen. Das birgt die Gefahr, zu wenig Zeitressourcen in die Entwicklung der Gruppe selbst einzubringen. Deshalb wurde vom Start weg auf ein Beratungstandem, bestehend aus einem erfahrenen externen Prozessberater und einem erfahrenen internen Berater, zugegriffen.
(6) Höchste Zeitökonomie. Die Gruppentreffen werden effizient vor- und nachbereitet. Die Treffen finden im Mehrmonats-Rhythmus statt und dauern wenige Stunden. Entscheidungen werden rasch und unbürokratisch getroffen und wenn nötig im E-Mail-Rundlauf.
(7) Eine Augenhöhe, Wertschätzung und wechselseitiger Respekt. Alle Partner respektieren und schätzen einander als Menschen, als Unternehmer und als Experten. Bei den Gruppenmeetings ist es für die Geschäftsführer/Eigentümer selbstverständlich, teilzunehmen. Als die erste Projektabwicklungsgesellschaft (EWP Infra GmbH) gegründet wurde, hat man bewusst alle Partner daran beteiligt.
(8) Klare Spielregeln. Bereits beim ersten Meeting wurden wenige zentrale Spielregeln definiert. Diese stehen nicht nur am Papier – sie leben und werden von allen respektiert. Das merkt man daran, dass es bis dato keinen Verstoß gab. Auszug aus den Spielregeln: • Kein Projekt ohne Lead-Unternehmen. Lead-Unternehmen ist immer der Partner mit dem stärksten Zugang (technisch, fachlich, beziehungsmäßig) zum Auftraggeber. • Der Leadpartner hat das Mandat zur Verhandlung. • Kein Abwerben von Kunden; kein Abwerben von Mitarbeiter/innen. • Transparente Kalkulation (gegenseitige Bekanntgabe von Grenzkosten) und transparenter Gewinnverteilungsschlüssel.
(9) Hohe Lernbereitschaft und volle Fokussierung auf den Kundennutzen und Geschäftserfolge. Einmal im Quartal findet ein Treffen mit einem potenziellen Kunden statt. Ziel ist es, ihm gut zuzuhören, seine Bedarfe und Nöte wirklich zu verstehen und mit ihm nach raschen, innovativen Win-Win-Lösungen zu suchen. Aus diesen Gesprächen entstanden bereits spannende Projekte. Wo sinnvoll, werden bereits vor einem Treffen proaktiv Vorschläge entwickelt und dann im Dialog mit den potenziellen Kunden vertieft. Strukturierte Analysen werden mit kreativen und systemischen Ansätzen und Instrumenten kombiniert (zum Beispiel die offenen Expertengespräche mit Nachbearbeitung in strukturierter Form und anschließender kreativer Projektentwicklung). Der Fokus liegt ganz klar auf projektorientierter Umsetzung: Ausprobieren am Projekt, Lernen mit Pilotprojekten, Entwickeln und Ausprobieren neuer Geschäftsmodelle, Offenheit für Spin-Offs und gemeinsame Unternehmen etc.
(10) Offenheit, Vertrauen und Freizügigkeit. Von Anfang an lebte in der Gruppe eine geistige Offenheit, ein gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, Informationen offen auf den Tisch zu legen. Jeder war und ist bestrebt, die Kollegen weiterzubringen. Expertenwissen wird weitergegeben. Gemeinsam wird nach innovativen Lösungen gesucht. Kontaktdaten werden ausgetauscht. Freizügigkeit äußert sich aber auch in der Bereitstellung von Räumen für Meetings, für die Verpflegung bei Meetings etc. Die Führungskräfte der Partnerunternehmen halten zudem Vorträge in den Führungskreisen der anderen Mitgliedsunternehmen und unternehmen gegenseitig Firmenbesuche.
(11) Amikales Miteinander. Jedes Meeting findet in einer sehr menschlichen Atmosphäre statt. Dieses Kulturelement sorgt für die nötige seelische Wärme, die es in einer wirkungsvollen Kooperation unbedingt braucht. Jede Gruppe benötigt menschliche Wärmegeneratoren.
(12) Denken und Handeln in Spannungsfeldern. Aus jedem (scheinbar) Negativen kann etwas Positives abgeleitet werden: Beispielsweise kann der Ausfall einer Führungskraft auch den positiven Effekt mit sich bringen, dass die Mitarbeiter/innen mehr in die Selbstverantwortung gehen müssen und daraus lernen. Und aus jedem (scheinbar) Positiven kann etwas Negatives abgeleitet werden: Zum Beispiel kann ein hoher Gewinn den Effekt haben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter träge werden und sich zurücklehnen. Mit dem Denken in Spannungsfeldern bekommen die Partner völlig neue Sichtweisen auf herausfordernde Themen.