Im Gespräch mit zwei Krisenmanagerinnen
Die Krisen der letzten Jahre bewegen Organisationen in unterschiedlicher Form. Wir haben mit zwei erfahrenen Krisenmanagerinnen gesprochen, mit Christina Pilsl aus der hoheitlichen Verwaltung des Bundeslandes Oberösterreich und mit Katharina Zeitlhofer vom Technologieund Maschinenbauunternehmen PALFINGER.
Was ist aus Ihrer Sicht in einer frühen Phase des Krisenmanagements wichtig, wenn sich eine „neue“ Krise ankündigt?
C. PILSL: Die frühe Phase des Krisenmanagements beginnt schon lange vor der Krise: mit der Vorbereitung! Eine Krise bringt so viel Unberechenbares, dass es gilt, auf alles Berechenbare so gut vorbereitet zu sein, dass im Ernstfall vieles automatisiert und nach Plan läuft. Nur so bin ich als Verantwortliche:r ausreichend für die unberechenbaren Faktoren freigespielt. Dazu muss ich Notfallpläne bei der Hand haben – egal ob es um Hochwasser, Blackout oder eine neue Pandemie geht –, die organisatorische Struktur und die Prozesse der Einsatzführung müssen klar geregelt und kommuniziert und das Zusammenspiel mit den Einsatzorganisationen gut einspielt sein.
K. ZEITLHOFER: In so einer Situation zählt in erster Linie Geschwindigkeit und damit meine ich Reaktions- und Entscheidungsgeschwindigkeit – und dabei sollte man dennoch gut überlegt und strukturiert agieren. Zunächst muss eine Bedrohung so früh wie möglich erkannt und als Krisensituation ein geordnet werden. Im nächsten Schritt muss dann das richtige, organisatorische Setup etabliert werden – bei PALFINGER sind das speziell eingerichtete KrisenTaskforces. Nach Bestätigung der Einordnung als Krise durch den Vorstand, ersetzt die KrisenTaskforce die Regelorganisation. Die Zusammensetzung der Krisen-Taskforce will gut überlegt und orchestriert sein. Wir bauen hier auf ein interdisziplinäres Team mit Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen, ergänzt um externe Berater:innen. Im Projektmanagementoffice werden zentral alle Maßnahmen und Entscheidungen zusammengeführt und abgestimmt.
Was sind wesentliche Erfolgsfaktoren, um als große Organisation gut durch Krisen zu kommen?
C. PILSL: Während einer Krise müssen rasch tragfähige Entscheidungen getroffen werden. Dazu brauche ich eine schlagkräftige Führungsstruktur, die auf kurzem Weg („alle an einem Tisch“) die Abstimmung mit den relevanten Akteuren erlaubt. Für Endlosschleifen à la „Ich nehme das mit, melde dann zurück“, fehlt schlichtweg die Zeit. Zur erfolgreichen Krisenbewältigung gehört auch eine aktive, gezielte und abgestimmte Kommunikation nach außen. Dabei bewegen wir uns immer in einem Spannungsfeld zwischen Ungewissheiten einerseits und dem Bedürfnis der Bevölkerung nach psychologischer Sicherheit andererseits. Vorsicht und Zuversicht gleichzeitig vermitteln zu wollen ist ein fordernder Mix.
K. ZEITLHOFER: Sicher ist: Krisen managt man nicht allein. Daher geht es aus meiner Sicht um zwei Themen: Um das Team und die Steuerung und um Kommunikation als wesentlicher Schlüsselfaktor Ein eingespieltes Team mit klaren Verantwortlichkeiten bildet in jedem Fall eine gute Basis. Krisenmanagement erfordert immer das Handeln und Entscheiden unter hoher Unsicherheit, daher ist gegenseitiges Vertrauen im Team ein Erfolgsfaktor für eine effektive Krisenbewältigung. Krisen lösen in der Regel bei den meisten Betroffenen – sowohl bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch bei Partnern und Kunden – Angst und Unsicherheit aus, deshalb ist transparente und zielgerichtete Kommunikation der zweite Erfolgsfaktor. Konkret heißt das, die unterschiedlich betroffenen Zielgruppen regelmäßig und so klar wie möglich über den aktuellen Stand der Gesamtsituation zu informieren – immer mit dem Fokus, Vertrauen und Stabilität zu erzeugen. Deswegen ist es je nach Krisensituation und Zielgruppe entscheidend, die richtigen Kanäle und Medien zu identifizieren.
Was war Ihr größtes Learning in Ihrer Rolle als Verantwortliche für das Krisenmanagement und was lässt Sie optimistisch in die Zukunft blicken?
C. PILSL: Wie wichtig der Faktor Leadership auch für das Durchhaltevermögen der Mitarbeiter:innen im Krisenmanagement ist. Zur Verantwortung eines/r Krisenmanagers:in gehört auch das Wohlbefinden seiner/ihrer Stabsleute, die Unternehmenskultur eines Einsatzstabs. Wenn die stimmt, kann ich auch über lange Zeit vollen Einsatz erwarten. Und genau das haben wir drei Jahre lang – über weite Strecken – geschafft. Und genau das lässt mich optimistisch in die Zukunft blicken: Wir haben an den richtigen Stellen im Land hochmotivierte Menschen mit einem starken Verantwortungsgefühl für die Allgemeinheit, die anpacken, wenn’s brennt!
K. ZEITLHOFER: Für mich essentiell: Krisen sind temporär und gehen in der Regel vorbei. Eine Organisation lernt nicht aus und wächst zugleich an ihren Herausforderungen. Und jede Erfahrung – insbesondere mit Krisen – macht eine Organisation resilienter und effektiver im Umgang mit neuen Herausforderungen oder Bedrohungsszenarien. Krisen sind auf emotionaler Ebene oft eine Verdichtung von Entscheidungsdruck bei unklarer Sachlage und den daraus entstehenden Konsequenzen. Das ist auch oft mit dem Führungsalltag vergleichbar, jedoch mit deutlich höherer Intensität. Und last but not least: It´s all about people. Krisenmanagement ist Emotionsmanagement. Es geht um die Menschen, ihre Bedürfnisse und Ängste, ihren Umgang mit Risiken und Ungewissheiten, die in der Krise noch stärker spürbar werden und damit bei der Führung im Mittelpunkt stehen.