360°-Feedback… aber richtig!
Das klassische PE-Instrument 360°-Feedback erlebt derzeit in vielen Organisationen eine Renaissance. Ein Grund, um auf wichtige Erfolgsfaktoren und mögliche Stolpersteine zu blicken.
Ein gutes Instrument – falsch eingesetzt
Das 360°-Feedback ist ein Personalentwicklungs-Instrument, das in den vergangenen Jahren teilweise in Verruf geraten ist. Negativbeispiele zeigen, dass Ergebnisse teilweise als Grundlage für Laufbahnentscheidungen wie Beförderungen, aber auch als Legitimierung von Kündigungen missbraucht wurden. Einige Unternehmen verwendeten die Ergebnisse sogar als Berechnungsgrundlage für variable Gehaltsbestandteile. Sobald sich derartige Praktiken in den Organisationen herumgesprochen hatten, war das Instrument tot. Ehrliches, auch konstruktiv-kritisches Rückmelden wurde weitgehend verunmöglicht. Kritisches Feedback gab es in solchen Fällen maximal dann, wenn man dem Empfänger eins auswischen wollte. Aus Angst vor Sanktionen wurden die Feedbacks nicht selten zum Schaulaufen mit Bestnoten für alle Beteiligten.
Zu den Ergebnissen in einen Dialog kommen
Wenn man es besser machen will, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für 360°-Feedbacks deren Einsatz als echtes Entwicklungs- und nicht als Beurteilungsinstrument. Das strukturierte Feedback soll dabei das persönliche Gespräch nicht ersetzen, sondern unterstützen. Eine zentrale Stärke quantitativer Befragungen ist, dass danach zu schwer fassbaren, weichen Themenfeldern (zum Beispiel Konfliktverhalten, Kommunikationsmuster etc.) Zahlen vorliegen. Zwar bilden auch diese Daten nicht die Wirklichkeit, sondern lediglich Meinungen und Wahrnehmungen der Feedbackgeber ab, aber sie schaffen die Grundlage für einen Dialog. Erst über den – dem Feedback nachgelagerten – Austausch mit der direkten Führungskraft, aber auch mit Mitarbeitern, Kollegen und anderen Personengruppen kann aus den Ergebnissen ein tieferes Verständnis für eigene Verhaltensmuster und die Rolle in der Organisation entstehen. Daraus lassen sich danach für die tägliche Praxis hilfreiche Maßnahmen beziehungsweise konkrete Verhaltensänderungen ableiten.
Entwicklungsstand der Organisation
Damit ein 360°-Feedback gut genutzt werden kann, benötigt die Organisation einen entsprechenden Reifegrad. Die Unternehmenskultur ist hier mitentscheidend. Es geht dabei insbesondere um die Dialogfähigkeit und Konfliktfestigkeit der Organisation. Wichtig ist, Kritik prinzipiell frei von Sanktionen für Feedbackgeber und -empfänger äußern zu dürfen. Gleichzeitig muss auch die Kritikfähigkeit und Veränderungsbereitschaft der Feedbackempfänger vorhanden sein. Diese Aspekte können durch Trainings- und Coaching-Maß-nahmen vor und nach der Befragung erhöht werden. In verschiedenen Projekten haben wir mit flankierenden Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen und Qualifizierungsmaßnahmen gute Erfahrungen gesammelt. Ebenfalls bewährt hat sich ein durch einen externen Berater moderierter Dialog zwischen Führungskraft und Feedbackempfänger. Auf diesem Wege können Ergebnisrückmeldung und Maßnahmenentwicklung gleich integriert abgewickelt werden.
Prozessklarheit
Die Erfahrung zeigt, dass die mit dem Instrument erfolgreichen Organisationen einen eindeutigen Prozess vorgeben, wie mit den Ergebnissen gearbeitet wird. Dazu gehört insbesondere schon im Vorfeld der Erhebung Klarheit, bezogen auf folgende Fragen:
- Wie geht man mit Anonymität und Datenschutz um?
- Wer darf Ergebnisse einsehen? Wer nicht?
- Wie erfolgt die Einbindung der Führungskräfte?
- Welche Rolle haben zentrale Einheiten wie zum Beispiel die Personalentwicklung?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus positiven oder auch kritischen Feedbacks?
- Wie erfolgt die Einbindung in bestehende Instrumente der Personalentwicklung (zum Beispiel Mitarbeitergespräch, PE-Programme)?
Prinzip Eigenverantwortung
Ein Stück weit im Spannungsfeld mit der eben beschriebenen Prozessklarheit steht die Erfahrung, dass echte Veränderungen in Verhalten und Rollenverständnis nur dann entstehen, wenn die Feedbackempfänger letztlich selbst darüber entscheiden können, was sie aus dem Feedback mitnehmen wollen. Zwar können diese Ableitungen mit der direkten Führungskraft oder internen bzw. externen Coachs besprochen werden, die letzte Entscheidung, was zu tun ist, sollte aber im Sinne der Akzeptanz beim Feedbackempfänger bleiben. Denn verordnete Entwicklung funktioniert nicht.
Wiederholung
360°-Feedbacks sollten keine Einmal-Maßnahmen sein. Die tiefere Qualität kann erst durch eine Wiederholung der Messung auch im Sinne einer neuerlichen Standortbestimmung bzw. Erfolgskontrolle entstehen. So können Erfolgserlebnisse geschaffen werden. Sehen meine Mitarbeiter meine Bemühungen? Sieht mein Vorgesetzter positive Entwicklungen in meinem Führungsverhalten? Rückmeldungen wie diese können den Feedbackempfängern helfen, den eingeschlagenen Entwicklungspfad bei Bedarf zu korrigieren oder ihn weiter zu verfolgen.
Fazit
Die oben beschriebenen Aspekte können dabei helfen, 360°-Feedbacks zu mächtigen Instrumenten der Personalentwicklung zu machen. Zwar gibt es nicht den einen Königsweg, aber es gilt, die Besonderheiten der jeweiligen Organisation zu berücksichtigen. Zeitliche Investitionen in gute Projektplanung und -kommunikation lohnen sich in jedem Fall.