Trigon Themen 02|2018

Befragungen bewegen Menschen und Systeme

Dem Kunden wirklich zuhören

Oliver Haas im Gespräch mit Martin Streicher

Die Firma ENGEL aus Oberösterreich ist Weltmarktführer bei Spritzgießmaschinen. Zuletzt führte man erstmals eine globale Kundenbefragung durch. Ein Interview über Beweggründe und Implikationen.

Martin Streicher ist Vice President Global Marketing bei ENGEL

Trigon Themen: Was hat Sie dazu bewogen, in der mehr als 70-jährigen Firmengeschichte erstmals eine weltweite Kundenbefragung durchzuführen?

  1. Streicher: Einen zentralen Unternehmenswert der ENGEL-Gruppe bildet (Kundennähe). Auf den Punkt gebracht geht es uns darum, das Unternehmen nicht über Umsatz oder EBIT zu führen, sondern über die Kundenzufriedenheit. Kaufmännischer Erfolg ergibt sich dann automatisch. Wir versuchen dementsprechend alle Unternehmensprozesse auf diesen Wert auszurichten, eine systematische Messung der Kundenzufriedenheit gab es aber bisher nicht.

TT: Welche Themen waren Ihnen bei der Befragung besonders wichtig?

  1. Streicher: Wir wollten nicht einen abstrakten, schwer greifbaren Zufriedenheitswert ermitteln, sondern alle Aspekte entlang der customer journey beleuchten, dem Kunden wirklich zuhören. Das beginnt beim Verkaufsprozess und der Auftragsabwicklung, geht weiter zur Maschinenübergabe und endet bei den After-Sales-Prozessen. Zu allen diesen Aspekten wollten wir ein möglichst offenes und konkretes Feedback unserer Kunden.

TT: Ihre Kundenbetreuer sind doch sehr nah an den Auftraggebern dran. Warum reicht deren Feedback nicht?

  1. Streicher: Die Befragung soll natürlich nicht die direkte Kommunikation mit den Kunden ersetzen. Vielmehr wollten wir darüber hinaus belastbare und möglichst systematisch ermittelte Informationen sammeln. Zu gewissen Themen, über die wir intern immer wieder diskutiert haben, gibt es jetzt Zahlen und Fakten zur Kundensicht – zum Beispiel die Gestaltung der Steuerungselemente der Maschinen. Dazu haben zentrale Einheiten wie Marketing oder F&E naturgemäß andere Sichtweisen als beispielsweise der Vertrieb in den weltweiten Niederlassungen. Die nun vorhandenen Befragungsergebnisse machen eine sachliche Diskussion und einen konstruktiven Austausch zu Weiterentwicklungen wesentlich leichter. Es geht nicht um finger pointing, sondern darum, dass jede Einheit ihren Beitrag zur Weiterentwicklung liefert. Außerdem hat jeder Kundenbetreuer auch die Feedbacks seiner Kunden in einem eigenen Bericht erhalten. Mit diesem Ergebnis kann er oder sie ebenfalls jetzt noch besser weiterarbeiten.

TT: Engel ist ein weltweit agierendes Unternehmen mit Niederlassungen rund um den Globus. Wie wurde sichergestellt, dass alle mit den Ergebnissen arbeiten?

  1. Streicher: Zu Beginn war das natürlich nicht so einfach. Es gab da und dort auch kritische Geister, Kolleginnen und Kollegen, die sich andere Fragenformulierungen oder einen anderen Befragungsprozess gewünscht hätten. Aber 3.300 Kundenfeedbacks konnte und wollte schließlich niemand ignorieren. Das Kundenfeedback ist die Basis für faktenbasiertes Arbeiten und Entscheiden. Wir sind mit den Ergebnissen auch direkt in die Niederlassungen gegangen, es gab eine Aufarbeitung nicht nur im Headquarter, sondern auch in den europäischen Niederlassungen sowie in Asien und Amerika. Letztlich haben wir über diese moderierten Workshops in den Regionen eine hohe Akzeptanz des Instruments erzielt. Wichtig war, die Ergebnisse nicht allein am Schreibtisch zu analysieren, sondern mit den Kolleginnen und Kollegen zu besprechen und ein gemeinsames Bild zu den Handlungsfeldern zu entwickeln. Dann geht es natürlich auch um den Transfer in die Praxis. Zu diesem Zweck sind die Regionen aufgefordert, in den regelmäßig stattfindenden Strategieklausuren ihre Maßnahmenpakete vorzustellen.

TT: Welche Relevanz haben die Ergebnisse für die Unternehmensleitung?

  1. Streicher: Oberstes Ziel ist, unseren Kunden mit unseren Maschinen und Lösungen dabei zu helfen, in ihren Geschäftsfeldern führend zu sein. Die Befragungsergebnisse unterstützen uns wesentlich dabei, strategische Ziele zu definieren und bestehende Entwicklungsinitiativen und -projekte zu priorisieren, um noch besser zu werden. Einzelne Themenfelder wie Service Excellence und Reklamationsabwicklung sind nun – auf Basis der Kundenbefragungsergebnisse – noch mehr in den Fokus gerückt worden. Das Arbeiten mit den Kundenfeedbacks ist somit ein Teil des Managementsystems geworden. Da muss man auch laufend dranbleiben. Nächstes Jahr soll die Befragung wiederholt werden.

TT: Was empfehlen Sie anderen Organisationen, die Kundenbefragungen planen?

  1. Streicher: Wichtig ist, die Ergebniskommunikation und den Aufarbeitungsprozess genau zu planen. Die Interpretation und Maßnahmenableitung nimmt viel Zeit und personelle Ressourcen für den Ergebnisdialog in Anspruch. Genau hier entsteht aber über durchdachte und wirkungsvolle Maßnahmen der Mehrwert für die Kunden. Und das muss meines Erachtens der wichtigste Anspruch einer Kundenbefragung sein.

TT: Vielen Dank für das Gespräch.

 

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