Die Macht der Bilder
Wie können im Coaching gesprochene Inhalte durch Bilder und Visualisierungen zum Nutzen der Coachees ergänzt und genutzt werden?
Bei Trigon betrachten wir den Coachingprozess durch die systemisch-evolutionäre Brille und sehen damit das Zusammenspiel der systemtheoretischen Perspektive mit einem klaren Fokus auf individuelle Entwicklungen. Auf Basis dieses berücksichtigen wir das systemische Umfeld unserer Coachees und orientieren uns an individuellen Entwicklungsmöglichkeiten und -fähigkeiten. Doch gerade diese systemische Betrachtungsweise führt zu einem hohen Grad an Komplexität und macht für manche Coachees die Sachverhalte schwer greifbar.
Um dem entgegen zu wirken, bieten sich Visualisierungen als ideale Übersetzungsmethoden an. Einerseits können Coachs die Coachees anleiten, bestimmte Sachverhalte zu visualisieren und damit erfassbar und bearbeitbar zu machen. Zum anderen können auch Coachs selbst die Visualisierung des Gesagten vornehmen und damit die Coachees unterstützen. Doch weshalb haben Visualisierungen eine solche Kraft?
Unser menschliches Gehirn wird täglich mit einer enormen Vielzahl an Reizen konfrontiert, die in Sekundenbruchteilen unsere Wahrnehmungen filtern. Nur ein Bruchteil der Informationen schafft es durch das Aufmerksamkeitstor in unser Kurzzeitgedächtnis und kann bewusst abgerufen werden. Der ausgeblendete Rest wird in unserem Unterbewusstsein abgespeichert. Hier beeinflussen sich bewusste und unbewusste Prozesse gegenseitig. Über intuitiv-kreative Methoden lassen sich die bewussten Prozesse unterbinden, um besser auf unbewusste bzw. vorbewusste Inhalte zurückgreifen zu können. (Gerrig, 2015, S. 172) Unser Unterbewusstsein ist jedoch nur in der Lage, Bilder und Gefühle zu verarbeiten – daher müssen wir unsere Kommunikation entsprechend anpassen.
Bereits 1976 hat Mintzberger auf die Grenzen rein rationaler und kognitiver Arbeitsweisen im Mangement hingewiesen und für eine Verbindung von rationalen und intuitiven Methoden argumentiert, was wir auch im Coaching bewusst berücksichtigen (Mintzberg, zitiert nach M. Weiss, 2011, S. 136). Es gibt Situationen, wo die Coachees nicht weiter zu kommen scheinen. Situationen, in denen weder unterschiedliche Fragetechniken noch Methoden wie Konfrontation oder Spiegeln neue Erkenntnisse bringen. Es kann auch sein, dass Coachees bei Konfrontationen abblocken. Das muss nicht an fehlender Bereitschaft zur Kommunikation liegen. Viel mehr fühlen sich manche Personen schier überfordert damit, lang bestehende und gewohnte Denkmuster aufzubrechen oder auch Ängste lassen den Coachingprozess ins Stocken geraten. Anderen wiederum fällt es schwer, vom Problemdenken in die Lösungsorientierung zu kommen.
Um die Coachees von der kognitiven Ebene zu lösen und ihr Unterbewusstsein zu aktivieren, ist es wirkungsvoll, sie einzuladen sich bildhaft auszudrücken. Wichtig dabei ist, abstrakt zu bleiben. Nicht-Gegenständliches in Form von Farben, Formen und Verläufen soll sich entwickeln dürfen. Das entstandene Bild wird gemeinsam besprochen. Die Coachees werden mit Orientierungsfragen tiefer an die Fragestellung herangeführt. Wir Coachs (be-)werten und deuten dabei nicht. Unsere Orientierungsfragen sind Fragen nach Stimmungen, Tendenzen oder Bedeutungen von Farben. Gegen Ende erfolgen eine Rückführung und Zusammenfassung mit einem klaren Bezug zum ursprünglich definierten Ziel.
Erfahrungsgemäß führt diese Methode immer wieder zu neuen Erkenntnissen, überraschenden Aspekten und konkreten Lösungsansätzen. Auch Ängste und Barrieren lassen sich grafisch berücksichtigen und es können in der Auseinandersetzung Möglichkeiten zu deren Überwindung mit Hilfe des Bildes gefunden werden.
Das Trigon Instrument der Lebens-, Arbeits- und Problemlandschaft lässt sich vielfältig einsetzen, zum Beispiel in Konfliktsituation, bei Zukunftsfragen oder in der Arbeit mit Teams. Wichtig ist, dass sich die Coach gut mit der Methode des Malens identifizieren kann und die Reflexion mit prozessfördernden Fragestellungen begleitet (siehe Glasl, 2006).
Auch in der Arbeit des Coachs helfen Visualisierungen, die Grenzen der Sprache zu überwinden, das Gesprochene visuell zu übersetzen und zu erweitern. Allein durch das Sichtbarmachen werden Schritte zur Veränderung eingeleitet. Handschriftliche Skizzen helfen beim Strukturieren und Gewichten. Sie unterstützen Diagnoseprozesse, bringen Vorgangsweisen in eine zeitliche Abfolge oder lassen aus diffusen Visionen erste klare Bilder entstehen (König, 2000, S. 288 f.).
So ließ sich beispielsweise der innere Monolog einer jungen, am Beginn ihrer Karriere stehenden Coach zeichnerisch gut darstellen. Sie erwartete sehnsüchtig ihren ersten Auftrag. Ihre inneren Stimmen wurden laut. Durch die Visualisierung des Coachs wird ein Überblick hergestellt, die einzelnen Stimmen werden erfasst, zugeordnet, verstärkt, gewürdigt oder auch abgeschwächt. Mit dieser Methode können auch Teilpersönlichkeiten, Stimmen, Rollen und Haltungen abgebildet werden (vgl. Schulz von Thun, Miteinander Reden 3, 1998). Hilfreich ist nicht zuletzt, dass damit auch ein Funken Humor eingebracht werden kann.
Bei all diesen Darstellungen kommt es nicht auf die Schönheit der Zeichnung an. Die Skizzen allein sind wertvoll. Immer wieder erleben wir, dass Coachees die Skizzen mitnehmen oder auch nur zur Erinnerung fotografieren, um im weiteren Coachingverlauf immer wieder darauf Bezug zu nehmen.
Literatur
Gerrig, R. (2015). Psychologie (20. Auflage).
Hallbergmoos.
König, G. (2000). Ein Handwerkszeug für den Coaching-Alltag: Visualisieren und begreifbar Visualisieren mit Inszenario®. In: Rauen, C. (Hrsg.). Handbuch Coaching. Göttingen.
Schulz von Thun, F.(1998). Miteinander Reden, Band
- Hamburg.
Weiss, M. (2011). Management in Skizzen. Bern, Stuttgart, Wien.
Glasl, F. (2006). Erzählen im Kontext imaginativer, inspirativer und intuitiver Methoden der Konfliktbehandlung. In: Steinweg, R. & Koch, G. (Hrsg.). Erzählen, was ich nicht weiß. Berlin.