Organisationsentwicklung und Konfliktmanagement – Zwei Seiten einer Medaille
Organisationsentwicklung und Konfliktmanagement sind unauflöslich miteinander verbunden. Nur wer beides professionell beherrscht, kann Menschen und Organisationen in komplexen Situationen unterstützen, nachhaltige Verbesserungen zu erreichen.
Den Organisations-Kontext bei Konfliktmanagement zwischen Menschen verstehen
Konflikte zwischen Menschen in Organisationen haben immer auch eine organisatorische Dimension, denn das Handeln der Menschen in Organisationen ist durch die systemischen Rahmenbedingungen geprägt. Konflikte, die zwischen Menschen auftreten und als persönliche Konflikte erscheinen, sind nur verstehbar und lösbar, wenn man ihre Zusammenhänge mit anderen Wesenselementen einer Organisation erkennt. Das Benennen dieser Zusammenhänge im Rahmen der Bemühungen um Konfliktlösung führt in der Regel zu einer emotionalen Entlastung und damit einen Schritt näher zum Finden einer Lösung.
Dies soll an folgendem Beispiel illustriert werden:
Fallbeispiel: Die Ausgangssituation
Bei einem Investitionsgüterhersteller sollen die Funktionen „Technische Beratung“ (Teil des Produktionsbereiches) und „Produkt Manager“ (Teil des Vertriebsbereiches) innerhalb der Prozesskette eng zusammenarbeiten.
Eine bereits beschlossene Zusammenlegung der Abteilungen und Ansiedlung im Vertrieb wurde durch den Technik-Vorstand zurückgenommen. Aus dieser Entstehungsgeschichte („feindliche Übernahme“) resultieren Spannungen und Belastungen, z.T. verstärkt durch persönliche Verstrickungen, die die Zusammenarbeit belasten. Kern beider Funktionen ist es, Kundenbedürfnisse ins Haus zu tragen und zu „übersetzen“ und umgekehrt den Kunden das Produktangebot auf technischer Ebene zu vermitteln.
Um im Sinne der Aufgabe des Unternehmens und der Beteiligten wirklich wirksam zu sein, genügt es nicht, eine nur „durchschnittliche“ Zusammenarbeit zu erreichen. Ziel der Beratung ist es deshalb, dass die jeweiligen Akteure überaus eng und vertrauensvoll handeln.
Die Schritte im Beratungsprozess
- Auftragsklärungsgespräch mit beiden Abteilungsleitern. Beide wollen eine Lösung und erkennen ihre Beiträge zur Konfliktentstehung
- In einem gemeinsamen Workshop mit beiden Abteilungen wird die Konfliktpartitur Zwei besonders kritische Ereignisse werden näher betrachtet: Wer hat auf wen wie reagiert? Dabei werden die Beiträge beider Seiten zur Eskalation deutlich.
- Anschließend besprechen die „Tandems“, also die Mitarbeiter beider Abteilungen, die jeweils für dasselbe Produktsegment zuständig sind, ihre persönliche Zusammenarbeit.
- Auf dieser Basis eines grundsätzlichen, persönlichen Verständnisses werden die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen (AKV) überprüft: Was ist eindeutig Technische Beratung (TB), was Produktmanagement (PM), was „Grauzone“? Für vier bis fünf „Grauzonenthemen“ werden Spielregeln und vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart.
- Nach zwei Monaten findet ein zweiter Workshop statt. Die Einhaltung der Spielregeln und die Wirkung der vertrauensbildenden Maßnahmen werden überprüft. Da hier ein Basisvertrauen entstanden ist, können nun Produktstrategie und Produktportfolio besprochen werden, was im vorherigen Misstrauensklima nicht möglich war.
- Die notwendigen Rollen und Prozessverantwortlichkeiten werden beschrieben.
Erkenntnisse aus dem Fallbeispiel
- Der Konflikt wird zwar im Wesenselement „Menschen, Gruppen, Klima“ sichtbar, eigentliche Ursache sind aber unklare Strukturen und überlappende Funktionen. Eine klare strukturelle Lösung war aufgrund mangelnder Einigungsfähigkeit im Vorstand nicht möglich. Die daraus resultierenden Unklarheiten führten zu steigenden Konflikten.
- Die Methode der Konfliktpartitur ermöglichte es, vom Feindbild-Denken wegzukommen und die zugrunde liegende Dynamik, also das wechselseitige Reagieren aufeinander zu erkennen.
- Erst nach einer Beruhigung der Konfliktsituation und Stärkung des Vertrauens war eine Bearbeitung der anderen Wesenselemente Strategie, Funktionen und Prozesse möglich. Die Schwäche in der Struktur blieb also, wurde aber durch die erhöhten Anstrengungen in den Wesenselementen „Menschen“ und „Prozesse“ kompensiert. Das Trigon-Systemmodell war hilfreich, diese Zusammenhänge aufzuzeigen.
„Problematisch ist nicht der Konflikt, sondern die unbeabsichtigte Eskalation von Konflikten“ (Fritz Glasl)
Wir erachten die Existenz von Spannungsfeldern und das Erleben von Spannungen als Phänomene, die unvermeidlich mit Zusammenarbeit in und Entwicklung von Organisationen verbunden sind. Angesichts bestehender systemischer Widersprüche in Organisationen ist es eine notwendige Kompetenz der darin arbeitenden Menschen, damit achtsam umzugehen, die Kommunikation in Konfliktsituationen sehr bewusst und lösungsorientiert zu gestalten, Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten zu respektieren und nach win-win-Lösungen zu suchen.