Trigon Themen 03|2016

Innovationsfaktor Personalentwicklung

Innovationstreiber Personalentwicklung

Organisationen streben nach Ordnung und Sicherheit. Veränderung und Innovation kommt von den Menschen, die in diesen Organisationen tätig sind. Sie müssen dafür geeignet sein sowie entwickelt und unterstützt werden.

Ein gut funktionierendes Unternehmen braucht standardisierte Prozesse, Verlässlichkeit, Wiederholbarkeit und geringe Abweichungen – also Ordnung, die Sicherheit schafft. Dennoch muss sich jede Organisation anpassen, verändern, weiterentwickeln – also Freiheit für Innovation ermöglichen. Dafür können nur die Menschen im System sorgen. Das System selbst hat jenseits der Pionierphase eine Eigendynamik in Richtung Reglementierung und Festlegung.

 

 

Personalentwicklung hat nicht nur die Aufgabe, Menschen auszuwählen und zu fördern, die das Funktionieren eines Unternehmens absichern, sondern muss auch für die Weiterentwicklung, für Innovation und Wandel sorgen. Aus unseren Projekterfahrungen kann das auf mindestens vier Wegen geschehen.

Selektion

Wenn wir Menschen mit hohem Sicherheitsbedürfnis (ordnungsliebend, genau, verlässlich, vorhersagbar, …) einstellen, verstärken wir die Tendenz der Organisation in Richtung Erstarrung. Wenn wir MitarbeiterInnen mit hohem Freiheitsstreben suchen (mutig, flexibel, risikobereit, angstfrei, hinterfragend, autonom, …), riskieren wir Spannung zwischen ihnen und den bewahrenden Kulturträgern. Auswege aus diesem Dilemma sind:

  • Kompetenzprofile – allgemein (was erwarten wir von allen Mitarbeitenden) und funktionsspezifisch (für F&E anders als für das Rechnungswesen)
  • ein Set von professionellen Instrumenten zur verlässlichen Beurteilung von erwünschten Persönlichkeitseigenschaften (Tests, Interviews, Assessments)
  • Klarheit in der Kommunikation mit BewerberInnen und Neueinsteigern über Erwartungen, Möglichkeiten, Spielregeln und Freiräume – möglichst in Kontraktform

Im Idealfall baut ein Unternehmen ein Potenzial an Menschen auf, die sich gut in der herrschenden Ordnung zurechtfinden, aber diese auch immer kritisch in Frage stellen – auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten bis hin zu radikalen Alternativen. Konstruktive Störenfriede (der puer robustus bei Diderot und Rousseau, Wilhelm Tell bei Schiller, die Verfechter einer rebellierenden Demokratie) tun den meisten Systemen und ihrer Weiterentwicklung gut.

Personalentwicklung kann durch gezielte Suche und Vorselektion neuer MitarbeiterInnen die innovative Organisation vorantreiben.

Innovationskultur

Die Übersetzung von Veränderungszielen und Innovationsstrategien in täglich wirksame Einflussfaktoren ist erfolgsentscheidend. Personalentwicklung hat auch hier ein breites Repertoire, um die Kultur zu prägen:

  • Vergrößerung der Eigenkompetenz und Verantwortung von MitarbeiterInnen als Empowerment-Prinzip festlegen
  • in Führungsleitlinien z. B. verbindlich und überprüfbar festlegen, dass Mitarbeitende ermuntert werden, eigene Ideen weiterzuentwickeln
  • eine offene, direkte und faire Kommunikation im Unternehmen vorleben und vorgeben
  • eine lernfreudige, entwicklungsorientierte Fehlerkultur entwerfen und umsetzen
  • auf Diversität (Geschlecht, Alter, Ausbildung, fachlicher, kultureller Hintergrund etc.) achten – sie ist eine erwiesene Innovationstreiberin
  • neue Formen der Arbeitsteilung und Zusammenarbeit unterstützen, auch im Layout der Arbeitsplätze und der Kommunikationsmöglichkeiten im Betrieb.

Personalentwicklung hat es mit vielen Instrumenten in der Hand, kulturprägend zu wirken – sie sollte das aber gezielt tun.

Entwicklung

In der klassischen Weiterentwicklung von Führungskräften und MitarbeiterInnen liegt ein weiterer Hebel als Innovationstreiber.

  • Bei allen MitarbeiterInnen geht es um die Ermutigung, eigene Ideen im Sinn des Unternehmens zu verfolgen, bekannte Wissens- und Handlungsfelder zu verlassen (z. B. durch Job Rotation), mit Menschen ganz anderer Bereiche in Austausch zu treten, alte Themen hinter sich zu lassen, um Platz für neue zu schaffen.
  • Bei Führungskräften geht es um ihre neue Rolle als Enabler, Coach, Unterstützer, die Innovationsprozesse initiieren, steuern und zur Umsetzung führen können. Sie müssen für übergreifende Zusammenarbeit sorgen und sich ein Methodenrepertoire des Innovationsmanagements aneignen.
  • Teams brauchen Heterogenität, einen guten In- und Outsider-Mix und klare, unterstützende Spielregeln für Innovationsaufgaben. Die professionelle Moderation solcher Prozesse sollte zu den Kernkompetenzen von Projektmanagern und Führungskräften gehören.
  • Talent Management und Fachkarrieren unterstützen auf allen Ebenen Innovation, wenn diese Kompetenz-Aspekte in die Auswahl und Qualifizierung integriert sind.

Personalentwicklung muss entsprechende Schwerpunkte in ihrer Entwicklungsarbeit setzen. Eine Erfolgskontrolle und ein Monitoring der individuellen und gesamtunternehmerischen Fortschritte sind unabdingbar. Das eine kann durch professionelle Feedback- und Beurteilungsinstrumente erfolgen, die in eine Skills Database aller MitarbeiterInnen münden, das andere kann durch Mitarbeiterbefragungen und die Gesamtschau auf 360°-Feedbacks zeitnah verfolgt und ermittelt werden.

Struktur

Nur der gezielte Aufbau einer organisatorischen Innovations-Infrastruktur sichert nachhaltig die geplante Veränderung. Dabei gibt es ein paar unverzichtbare Säulen:

Das in der Organisation vorhandene Wissen und die Erfahrung von MitarbeiterInnen und Führungskräften müssen mit externen Ressourcen verbunden werden – mit Kunden, Nutzern und Experten. Dazu müssen Plattformen geschaffen werden, social media und vielerlei neue Möglichkeiten eingeschlossen.

Eine Vielzahl von Akteurs-Gruppen muss in konstruktive Entwurfs-, Ausarbeitungs- und Umsetzungsprozesse eingebunden werden (vgl.  die Innovations-Werkstatt der Daimler AG).  • Die bestehenden Organisations- und Führungsformen mit fixen Rollen und Funktionen sind keine Innovationstreiber – die Arbeit an unternehmensgerechten Alternativen ist sicher eine der nächsten großen Herausforderungen.

Schließlich ist ein Belohnungssystem zu schaffen, das – auch informell – Kreativität, Mut, Risikobereitschaft und unkonventionelle Lösungen unterstützt und die Integration von Bewahrern und Veränderern fördert.

Personalentwicklung hat auch hier die Aufgabe, strukturbildend zu wirken und bereichsübergreifend Workshops, Lernreisen, Plattformen und Großgruppenveranstaltungen zu initiieren und bei Bedarf zu organisieren.

Entscheidend für den Erfolg als Innovationstreiber wird für die Personalentwicklung sein, eine neue Ambiguitätstoleranz in Organisationen zu etablieren. Das bedeutet, bei Individuen, Teams und der Gesamtorganisation den Spannungsbogen zwischen Bewahren und Verändern weiter aufzuspannen und konstruktiv zu halten. In diesem Spannungsfeld gedeihen Entwicklung und Innovation und sichern damit unsere Zukunft.

 

Literatur

Dieter Thomä, Puer robustus. Eine Philosophie des Störenfrieds, (Suhrkamp, 2016)

R.Rossberger, D.E.Krause, Wie beeinflussen kulturelle Werte das Innovationsniveau eines Landes? (Universität Klagenfurt, 2012)

Dr. Martina Scheinecker, Innovativ durch Personalentwicklung – der Beitrag von PE zur Steigerung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen. (Trigon, 2011)

https://blog.daimler.de/tag/innovationswerkstatt

 

Lesen Sie mehr zum Thema Innovationsfaktor Personalentwicklung in unserer Gesamtausgabe Trigon Themen 03|2016