Präsent und bewusst Veränderung anstoßen
im Gespräch mit Dr. Siegfried Riediger, Dr. Christian Bornemann und Christian Weiher, BASF Coatings
Um Entwicklung und Innovation anzuregen, durchliefen die Führungskräfte des technologi-schen Bereichs der Fahrzeuglacke der BASF Coatings ein achtsamkeitsbasiertes Entwick-lungsprogramm. Auftraggeber und Teilnehmer ziehen eine erste Bilanz.
Trigon Themen: Was waren für Sie persönlich die wichtigsten Erfahrungen, Erkenntnisse oder Einsichten in dem bewusstheits- und achtsamkeitsbasierten Führungskräfte-Entwicklungsprogramm?
- Bornemann: Für mich persönlich waren die wichtigsten Erfahrungen das erfolgreiche Kennenlernen und die erfolgreiche Anwendung von Modellen in diesem Trainingsprogramm. Besonders solche, die es gestatten, Besprechungen und auch Teamarbeit erfolgreicher und effizienter zu gestalten. Und zwar dadurch, dass psycho-sozialen Prozessen mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein Stichwort dazu ist die Metakommunikation und ihre Methoden: die Klärungsschleife, die Blitzlichtrunde, aber auch die Stopp-Methode, also die Möglichkeit, sich auch in Stresssituationen mit Besonnenheit zu fokussieren. Ich habe erkannt, dass die Anwendung solcher Methoden das Arbeiten im Alltag in Besprechungen, aber auch in Gruppen tatsächlich effektiver macht. Auch, dass sich bei Teambildungsprozessen mithilfe solcher Ansätze Offenheit und Vertrauen im Sinne einer positiven Atmosphäre entwickeln lässt.
- Weiher: Ja, man unterschätzt leicht die enorme Bedeutung der zwischenmenschlichen Ebene bei der Erreichung von Zielen im Team. Wenn ich Störungen auf dieser Ebene aber vernachlässige, werde ich am Ende nicht erfolgreich sein. Hier genauer hinzuschauen und Energie zu investieren, um Konflikte zu lösen, war für mich eine wichtige Erkenntnis. Ferner ist die Ablenkung und teilweise Fremdsteuerung durch viele Außeneinflüsse (Aufgabenvielfalt, Handy, E-Mail) ein zentrales Problem der heutigen Zeit und des Führungsalltags. Sich mittels Achtsamkeitstrainings seine Aufmerksamkeit und Selbststeuerung bei wichtigen Themen gewissermaßen zurückzuerobern, ist Grundlage für klarere und bessere Entscheidungen. Das war für mich nicht nur im Berufsalltag, sondern auch im privaten Bereich wichtig. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Wer achtsamer und selbstgesteuert mit sich und seiner Umwelt umgeht, lebt zufriedener und glücklicher!
TT: Herr Riediger, welches Echo löst die Seminarreihe aus, welche Rückmeldungen haben Sie als verantwortlicher Vorgesetzter von den Teilnehmern erhalten?
- Riediger: Wenn ich Feedback erhalten habe, war es durchwegs positiv. Ich habe aber auch erlebt, dass die Teilnehmer stark gefordert waren, und nicht nur durch die zeitliche Belastung. Konkret zu den Rückmeldungen: Die Leute sagen, so etwas haben wir noch nicht erlebt. Das geht sehr tief, es geht viel tiefer als sonstige Seminare und da ist ein deutlicher Unterschied erkennbar. Das ist hilfreich nicht nur für meine Arbeit, sondern auch für mich persönlich. Zum Gesamten: Der Entwicklungsschub, den wir voranzubringen haben, besteht aus drei Faktoren: dem großen Strukturveränderungsprojekt Yin Yang, der weitreichenden Umstellung auf ein zukunftsweisendes Prozess-Labor und eben als dritter Baustein die Führungskräfte-Entwicklung. Veränderung weckt auch Ängste. Ich glaube, dass diese Seminarreihe eine notwendige Voraussetzung dafür war, diesen komplexen Change-Prozess bisher erfolgreich voranzubringen.
TT: Wie sehen Sie die Bedeutung der Achtsamkeits-und Bewusstheitsübungen für die tägliche Führungsarbeit?
- Bornemann: Ich glaube, dass sie ganz entscheidend waren – ein Basiselement. Dadurch lassen sich schwierige Situationen einfach besser meistern. Es lässt sich dadurch Stress vermeiden. Die Konzentration wird auf das Wesentliche gelenkt. Da gibt es für mich viele Beispiele aus dem Arbeitsalltag. Bei den Achtsamkeitsübungen hat bei mir während des gesamten Trainingsverlaufs in den einzelnen Modulen ein Entwicklungsprozess stattgefunden, den ich auch bei anderen beobachtet habe. Die Übungen haben mir geholfen, mich selbst immer besser zu fokussieren. Das hat sich auch auf die Gruppenarbeiten und Besprechungen ausgewirkt. Es wird insgesamt flüssiger. Der Fokus liegt dann tatsächlich auch mehr auf der jeweiligen Situation und auf den psycho-sozialen Prozessen, die ablaufen.
- Weiher: Die Gruppe war nach Atem- oder Bewusstheitsübungen immer sehr auf dem Punkt und wirklich konzentriert. Was sich ja als roter Faden bei den Konzepten durchgezogen hat, war das Thema Präsenz. Das fängt bei einem selber an, sich selber bewusst zu werden über seine eigene Situation, seine Bedürfnisse und seine Ziele. Dann aber auch die genaue Wahrnehmung seines Gegenübers. Was will der andere, was bewegt die Gruppe? In Konflikten besonnen bleiben, nicht überreagieren. Auf der Basis der Übungen präsent und achtsam sein heißt auch, wirkungsvoller und bewusst zu kommunizieren.
TT: Welche Anregungen, Theoriemodelle und praktische Führungsmethoden sind für Eure Arbeit besonders wichtig geworden?
- Bornemann: Neben den schon genannten Modellen sind für mich die drei Prozessebenen der Besprechung ein zentrales Theoriemodell: Denkprozesse, organisatorisch-methodische Prozesse und psychosoziale Prozesse. Weiterhin die 5-Felder-Methode, die hilft, komplexe Themen systematisch und planerisch in Prozessschritten zu erarbeiten. Das Modell erfordert, dass die zentrale Frage in der Mitte jeweils auch sorgsam geklärt wird. Das bringt wirklich weiter. Oder die Klärungsschleife: Ich habe entdeckt, dass durch diese Form von Metakommunikation verborgene Probleme oder Konflikte gerade eben auch in Besprechungen schnell zu Tage gefördert werden können. Und wenn man dies immer wieder anwendet, kann Organisations-Kultur beginnen, sich Schritt für Schritt zu ändern und mehr Offenheit für Innovation entstehen.
- Weiher: Für mich ist die Stopp-Methode und der kommunikative U-Prozess so etwas wie ein Begleiter im Arbeitsalltag geworden. Ich merke dadurch, dass ich mich auch weniger scheue, Interessen offensiver zu vertreten, weil ich spüre, dass ich ein wirksames Werkzeug in der Hand habe, mit dem ich Spannungen und Konflikte handhaben kann.
TT: Was denken Sie generell über das achtsamkeitsbasierte Führungskräfte-Entwicklungsprogramm?
- Weiher: Das Seminar ist definitiv nicht an der Oberfläche geblieben, weil es wirklich im besten Sinn Tiefgang hatte. Präsenz, Bewusstheit und Achtsamkeit: In die eigene Person hineinschauen und sich gleichzeitig in den anderen oder in die innere Dynamik von Gruppen und Teams hinein zu versetzen, war ständige Herausforderung und Praxis. Wirklich den Mut zu haben, bei der Eisberg-Metapher die unter dem Wasserspiegel liegenden Gefühle, Bedürfnisse, Willens- und Handlungsimpulse zu erfassen, also bewusst und klar in die zwischenmenschlichen Dinge tief einzutauchen. Dann werden die Dinge offen angesprochen. Man merkt, dass sich bei uns in dieser Richtung etwas bewegt hat. Auch im Blick auf das große Thema Innovation und Veränderung: Da ist immer etwas zu hinterfragen. Ist das o.k., wie wir es tun? Passt das alles? Ist das rund? Und dies wirklich gut und präzise zu durchdenken, bevor man dann mit seinem Plan losläuft. Während viele Seminare mit der Zeit sonst auch verblassen, was den Inhalt und die Nachwirkung betrifft: Die Seminarreihe hat es geschafft, wirklich einen nachhaltigen Eindruck zu prägen und Änderungen bei uns zu initiieren.
- Bornemann: Ich reihe mich noch einmal ein in das, was Dr. Riediger gesagt hat. Veränderung bringt jede Menge Unsicherheit. Das Seminar hat aus meiner Sicht dazu beigetragen, diese Unsicherheit zumindest offen zu Tage zu fördern und ihr an zentralen Stellen auch sehr konstruktiv zu begegnen. Das habe ich bisher bei keinem anderen Seminar oder bei keiner anderen Seminarreihe beobachten können.
- Riediger: Ja, es war für die Gruppe der Führungskräfte insgesamt eine neue Art von Erfahrung. Das wurde auch immer wieder betont von den Teilnehmern. Es hat schon konkrete praktische Umsetzungen gegeben. Ein Beispiel ist, dass wir bei uns eine neue Meeting-Struktur eingerichtet haben. Ich glaube, dass diese begleitende Führungskräfte- Entwicklung eine notwendige Voraussetzung war, um unseren komplexen Change-Prozess zu bewältigen. Ich weiß aber auch, dass die Seminare nicht bei jedem gleich intensiv erlebt worden sind. Der Anspruch, den Entwicklungsprozess auch mit einer neuen Führungsmannschaft fortzusetzen, insbesondere mit den Leuten, die ein solches Training noch nicht genossen haben, bleibt bestehen. Insgesamt: Man sieht einzelne Erfolge, sehr plakativ. Wenn ein Mitarbeiter kommt und sagt: Mein Chef ändert sich. Wir können wieder zusammenarbeiten! Ein besseres positives Ergebnis gibt es nicht.
TT: Vielen Dank für das Gespräch.