Trigon Themen 3|2018

Digitalisierung und Prozessberatung

M.O.O.CON goes digital

Günther Karner im Gespräch mit Mag. Karl Friedl

Wie sich eine Expertenorganisation für Immobilienentwicklung konsequent, systematisch und kreativ auf die digitale Welt ausrichtet. Günther Karner, der den Prozess begleitet, im Gespräch mit dem Geschäftsführer Karl Friedl.

 

Trigon: Warum beschäftigt ihr euch so intensiv mit dem Thema „Digitalisierung“?

Karl Friedl: Die Digitalisierung führt zu einer derartig radikalen Umwälzung von allem, was bisher bei Prozessen, Geschäftsmodellen und Unternehmenskulturen getan und gedacht wurde, dass es auch für uns zwingend notwendig ist, uns darauf einzulassen. Wenn wir sehen, wie sich die Geschäftsmodelle und die Arbeitswelten unserer Kunden massiv wandeln, dann müssen wir uns als M.O.O.CON („Mensch – Organisation – Objekt – Consulting“) darauf ganzheitlich ausrichten. Wer glaubt, bei diesen Entwicklungen nichts tun zu müssen, wird mit seinem Geschäftsmodell nur noch eine Zeit lang etwas zu tun haben, aber dann ein Auslaufmodell sein.

 

Trigon: Was ändert sich bei deinen Kunden zum Beispiel durch die Digitalisierung?

Friedl: Die neuen Arbeitswelten folgen neuen digitalisierten Arbeitsprozessen und das Ergebnis bedeutet übersetzt Activity-Based Working. Dem Menschen wird dabei je nach Aufgabe die passende analoge und digitale Arbeitsumgebung geboten. Starre Raumstrukturen lösen sich auf. Infrastrukturen werden mit anderen geteilt. So etwas entsteht unmittelbar aus der Digitalisierung. Von unseren Kunden wird gefordert, dass wir uns mit solchen Entwicklungen nicht nur auskennen, sondern hier laufend innovative Impulse beisteuern.

 

Trigon: Was waren die Anfänge auf Eurem Entwicklungsweg in Richtung eines „Digitalunternehmens“?

Friedl: Rückblickend kann ich sagen, dass es wie bei allen großen Veränderungen zuerst einmal darum ging, Systemzusammenhänge und Chancenpotenziale der Digitalisierung zu erkennen. Das ist jetzt schon ca. vier Jahre her. Nach einer intensiven Diskussion in der Geschäftsführung hielt ich jedes Jahr bei unserem zweitägigen Jahresschlussevent für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Vortrag „Wo stehen wir und wo wollen wir hin?“ Ich habe dort gesagt, dass wir Infrastruktur nicht mehr nur analog sehen dürfen, sondern auch digital sehen müssen. Und ich sagte, dass analoge und digitale Infrastrukturen ein wichtiges Management-Instrument für Unternehmen sind. Wir haben damit einen wichtigen Hebel für die digitale Transformation unserer Kunden in der Hand. Ich habe zuerst sehr viel Unverständnis geerntet. Darauf folgten Fragen wie „Wie bringt man ein soziales System wie unser Unternehmen auf den digitalen Weg? Wie bringt man die Menschen ins Verständnis? Welche vielleicht neuen Strukturen braucht es?“

 

Trigon: Wie ging es weiter?

Friedl: Nachdem langsam allen klarer wurde, dass an der Digitalisierung kein Weg vorbeiführt, haben wir zu systematisieren begonnen, was wir tun müssen. Wir haben dabei drei große Stoßrichtungen herausgeschält: Die erste lautete „Wie wollen wir arbeiten?“ Das hat etwas mit unserer eigenen Organisationsstruktur, unserer Büroinfrastruktur, unseren digitalen Arbeitsmöglichkeiten und unserer Kultur zu tun. Der zweite große Punkt war: „Wie müssen wir unsere Leistungen verändern?“ Wenn wir sagen, es geht um ganzheitlicheres Infrastrukturverständnis, dann müssen wir auch im Bereich digitale Infrastrukturen Kompetenzen aufbauen. Wir werden Partnerschaften eingehen, in Netzwerken denken, offen sein für Neues.

Der dritte Aspekt war: „Wie müssen wir kommunizieren?“ In der digitalisierten Welt ist der Kunde daran gewöhnt, ein individuelles Angebot zu bekommen. Wir haben unser Kundenverständnis und unsere Kundenansprache neu definiert. Aus diesen drei Aspekten haben wir einen langfristigen Entwicklungsplan abgeleitet, der uns in die Lage versetzt, die notwendigen Veränderungen durchzuführen.

 

Trigon: Welche Interventionen hast Du ergriffen?

Friedl: Ganz wichtig war es, die erweiterten Visionen in die Köpfe und Herzen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kolleginnen und Kollegen zu bringen – in die DNA des Unternehmens. Das kann man meiner Meinung nach nur, indem man Erlebnisse schafft. Eine unserer Aktivitäten neben vielen Diskussionen war eine intensiv vorbereitete Digital Safari. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in Gruppen an einem Safari-Tag unterschiedlichste Start-ups und digitale Companies besucht und interviewt. Das war Erlebnis und Lernen pur. So etwas kannst du aber erst aufsetzen, wenn du bestimmte, die Veränderung treibende, Inhalte im Kopf hast. Wenn du sagen kannst, einerseits geht es bei der Safari um Organisations- und Geschäftsmodelle, andererseits um neue Technologien. Welche Technogien sind wiederum die Treibenden? All jene, die vernetzend wirken, die in der künstlichen Intelligenz angesiedelt sind, die Big Data treiben usw. Bei der Safari konnten dann alle das Neue hautnah selbst erleben und es entstand eine emotionale Verbindung.

Ein anderes Beispiel: Ich war mit einer Kommunikationsagentur fast zehn Jahre unterwegs. Wenn man sich radikal neu ausrichten möchte, dann muss man auch den Mut haben zu sagen, dass man da und dort auf neue Partner und neue Methoden setzt. Angeregt von unserer neuen Agentur haben wir uns mit Hilfe der Canvas-Methode intensiv mit unseren Dialoggruppen auseinandergesetzt und deren Bedürfnisse erfasst. Ziel unserer neuen Website ist es, im Zusammenspiel mit unseren Social-Media-Kanälen die Schubumkehr in unserer digitalen Kommunikation zu erreichen.

M.O.O.CON Expertinnen und Experten sowie Dialoggruppen orientierte Inhalte stehen im Zentrum. In einem digitalisierten Kommunikationssystem gehen wir davon aus, dass Menschen über Suchsysteme Problemlösungen und Antworten finden wollen, idealerweise von einem Experten, dem sie vertrauen können.

 

Trigon: Ihr habt 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Geht es eher um einen kulturellen Wandel oder um fachliche Skills – oder um beides?

Friedl: Zuerst muss man wahrscheinlich unterscheiden, wie alt die Leute sind und ob sie Digital Natives sind oder nicht. Wir haben grundsätzlich ein junges Team, aber wir haben auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sind 50+ und diese muss man anders behandeln. Darin liegt aber auch ein Chancenpotenzial. Es wird viel über Reverse Mentoring geredet. Die Älteren werden lernen müssen, wie man mit den neuen Technologien umgeht und banale Dinge wie „Wie kann man Social Media nutzen?“ und „Wie nutze ich das, was ich früher analog gemacht habe, in vernetzten Systemen? Wie nutze ich in Zukunft künstliche Intelligenz usw.?“ Die Jüngeren werden über Erfahrungswissen, wie man Prozesse aufsetzt, wie man Kundenbedürfnisse erfasst, wie man große Projekte steuert, lernen.

 

Trigon: Braucht es bei der Digitalisierung auch Prozessberaterinnen und -berater?

Friedl: Mein persönlicher Stil – und auch der unseres Unternehmens – ist es, dass wir keine vorgekaute Standardlösung suchen. Wir wollen uns zu den für uns relevanten Themen ein Bild machen, was es da alles gibt. Wenn wir zum Beispiel den Aspekt Struktur rausnehmen, da geht es von der Pyramide zur Kreisorganisation, zur Soziokratie usw. Ich habe Seminare besucht, um einen Überblick zu bekommen und dann haben wir gemeinsam mit dir etwas herausgearbeitet, was für uns passt. Das ist eben nicht die Fachberatung, bei der einer weiß wie es geht, sondern da gilt es, sozusagen das passende für das Unternehmen entstehen zu lassen. Was ist der richtige, der wirksame Weg für unser Unternehmen? Wir haben mit deiner Unterstützung zuerst die Struktur verändert und haben dann, wo es nötig war, mit Kulturmaßnahmen nachgesteuert. Eine umfassende Transformation braucht Prozessbegleitung.

 

Trigon: Zum Abschluss, ist dir während dem Gespräch ein Gedanke gekommen, den wir nicht angesprochen haben?

Friedl: Die Digitalisierung führt dazu, dass sich die Geschwindigkeiten erhöhen. Es werden verstärkt dezentrale Verantwortungsstrukturen gebraucht, doch diese sind nicht gleich von heute auf morgen lebbar. Das kann man nicht in einem Punktereignis verändern. Wir mussten uns im Veränderungsprozess – mehr als von mir erwartet – mit Überforderung und der Gefahr von Burnout auseinandersetzen. Ich würde bei Entwicklungsprozessen jedem empfehlen, auf all das gut hinzuschauen und es auch ernst zu nehmen. Wir sind aber bald dazu übergegangen, unsere Aufmerksamkeit mehr auf unsere Visionen zu lenken und auf das, was diese attraktiv für uns macht. Wenn ich auf einen Berg gehe und die ganze Zeit nur die Symptome meiner Anstrengung sehe, macht das keinen Spaß. Ich muss mir immer wieder vor Augen führen, wie es sein wird, wenn ich oben stehe.

 

Trigon: Danke für das Gespräch.

 

Lesen Sie mehr zum Thema Digitalisierung und Prozessberatung in unserer Gesamtausgabe Trigon Themen 03/2018