Syntaktischere Beratung – ein Praxisbeispiel
von Brigitta Hager und Monika Udeani
Veränderungen fordern von Führungskräften und Mitarbeitenden rasche Neuorientierung und gleichzeitiges Aufrechterhalten der bisherigen Leistung. Hilfreiche Wegweiser sind gefragt.
Im Zuge der Umstrukturierung einer Verwaltungsorganisation werden zwei Teams unter einer Leitung zusammengeführt. Nennen wir sie Team Gelb und Team Blau, damit wir keine Rangordnung einführen. Die Teamleiterin von Team Gelb übernimmt die Gesamtleitung, der Teamleiter von Team Blau wird ihr Stellvertreter. Welche Zugänge können nun die Akzeptanz der neuen Gegebenheiten unterstützen?
Unserer Erfahrung nach bieten sich die SySt®-Systemprinzipien von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer sowie die 7 Basisprozesse der Organisationsentwicklung von Friedrich Glasl dafür besonders an.
Abb. 1: SySt®-Systemprinzipien und Systemorientierungen (nach Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer)
In Veränderungssituationen sind Leistungs- und Krisenbewältigungskompetenz besonders gefordert (obere zwei Stufen im Modell). Die Systemprinzipien betonen, dass diese – systemisch und daher überindividuell betrachtet – den tragenden Unterbau durch die Systemprinzipien Zugehörigkeit (Systemexistenz) und Zeitfolge (in unserem Fall System-Wachstum) brauchen, um längerfristig wirksam zu werden. Das Metaprinzip Verzicht auf Leugnung bedient alle Stufen gleichermaßen und verweist auf die Anerkennung der Gegebenheiten (versus: „es wäre mir lieber, wenn …“).
In Umstrukturierungsprozessen steht für Mitarbeitende unter anderem das bislang erworbene Standing im Team auf dem Spiel und birgt Unsicherheit und gegebenenfalls Verweigerung der Veränderung. Die Systemprinzipien Zugehörigkeit und Zeitfolge tragen dem Rechnung. Das Systemprinzip Zugehörigkeit provoziert die Fragen: „Wer gehört zum neuen Team und wer nicht? Was macht diese Zugehörigkeit aus? Woran ist sie erkennbar?“ Die gezielte Grenzziehung nach innen und außen stärkt die Systemexistenz und schafft Klarheit.
Das Systemprinzip Zeitfolge berücksichtigt, dass Personen, die bereits seit längerem Teil des Systems sind, über ihren Einsatz dazu beigetragen haben, dass das heutige System erfolgreich existiert. Indem Neu-Hinzukommende als jene gesehen werden, die auf dieser Grundlage aufbauen und neue Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen, kann der Beitrag aller Beteiligten gewürdigt und als spannende Bereicherung erlebt werden. Die explizite Anerkennung der Zeitfolge des Teameintritts trägt in vielen Fällen zum Standing der Einzelnen und zu größerer Gelassenheit bei.
Spannend ist bei Teamzusammenlegungen nun die Frage der Zeitfolge im neuen Team. Wird Team Blau von Team Gelb absorbiert, verlieren die Mitarbeitenden von Team Blau deutlich mehr an Standing als jene von Team Gelb. Dies gilt vice versa. Werden hingegen Spielregeln, Prozesse, Kompetenzen und ähnliches miteinander neu geklärt, formt sich ein Team Grün. Hinsichtlich der Zeitfolge ist es dann wichtig, bei einer ersten Teamklausur nach der Zugehörigkeit zur Gesamtorganisation und nicht nach der im früheren Team zu fragen.
Die Basisprozesse der Organisationsentwicklung
Über die Systemprinzipien erfolgt eine generelle Orientierung im System. Sie kann im Veränderungsprozess ein wichtiger Aspekt der Diagnosephase sein, der sich auch auf die psychosoziale Stabilität und die Zukunftsgestaltung auswirkt.
Abb. 2: 7 Basisprozesse der Organisationsentwicklung (Friedrich Glasl)
Die 7 Basisprozesse der Organisationsentwicklung (OE) nach Friedrich Glasl sind darauf ausgerichtet, möglichst viele Betroffene für die aktive Mitwirkung am Veränderungsvorhaben zu gewinnen und so die Selbsterneuerungskraft der Organisation zu stärken. Ziel ist es, die konkreten Erfahrungen und Ideen der Menschen vor Ort zu nutzen und einen geeigneten Rahmen für das Mittragen der Umsetzungsmaßnahmen zu schaffen.
Konkret bedeutet das zum Beispiel beim Zukunftsgestaltungsprozess, dass gemeinsam an einem erstrebenswerten Zukunftsbild gearbeitet wird: Worin besteht der unverwechselbare Beitrag unserer Organisation oder unseres Teams für unsere Kundinnen/für die Gesellschaft? Wann sind wir erfolgreich? Welche Werte sollen uns leiten? Zum Einsatz kommen dabei vor allem kreative, imaginative oder analoge Methoden (Stories, Pressekonferenz in fünf Jahren, Skulpturen usw.).
Beim schrittweisen Erarbeiten und Umsetzen der Veränderung werden die Basisprozesse den individuellen Erfordernissen der Organisation angepasst und ein dem Beratungsauftrag entsprechendes Strickmuster (Glasl, F., Trigon Seminarskript 2004) kreiert. Welche Prozesse stehen in welcher Phase des OE-Prozesses im Vordergrund? Wie gut sind zum Beispiel die Qualitäten Lernen, Information oder Umsetzung versorgt? Wo braucht es gezielte Interventionen und welche Wirkungen treten vielleicht unbewusst und ungewollt auf?
Bei der zu Beginn erwähnten Teamzusammenführung haben sich aus den Erkenntnissen der Systemprinzipien wertvolle Hinweise auf die Zusammensetzung des Steuerungsteams ergeben (Management des Change Prozesses). Nachdem die Anerkennung des Erfolgs beider Teams und die Würdigung der individuellen Beiträge erfolgt war (Psychosozialer Änderungsprozess), konnte gemeinsam die Tür zur Zukunftsgestaltung geöffnet werden.
SySt®-Systemprinzipien und die 7 Basisprozesse erleichtern den Umgang mit komplexen wechselseitigen Bezogenheiten, wie sie in jedem System auftreten. Wenn Stolpersteine den klaren Weg behindern, können Anregungen für Lösungsansätze gefunden werden. Wenn etwas neu beginnt, wie im Falle des fusionierten Teams, verweisen die beiden Modelle auf proaktive Handlungsmöglichkeiten für Beratende und Führungskräfte und sind so ein wertvoller roter Faden für die geglückte Weiterentwicklung eines Systems.
Literatur
Ferrari, E. (2011). Teamsyntax. Teamentwicklung und Teamführung nach SySt. Aachen.
Varga von Kibéd, M. & Sparrer, I. (2009). Ganz im Gegenteil. Heidelberg.
Glasl, F. & Kalcher, T. & Piber, H. (Hrsg.) (2014). Professionelle Prozessberatung: Das Trigon-Modell der sieben OE-Basisprozesse. Bern/Stuttgart.
Lesen Sie mehr zum Thema Syntaktisch in Beratung und Führung in unserer Gesamtausgabe Trigon Themen 03/2019